Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG
Kommentar
1. Bei baulichen Veränderungen, die in die Statik und tief in die Substanz des Gemeinschaftseigentums eingreifen und es umgestalten (hier: Durchbruch der Außenwand und Errichtung von Pflanzbeeten mit gemauerten Einfassungen sowie eines in den Stahlbetonringanker eingefügten Wintergartens auf einer Dachterrasse), können nachteilige Auswirkungen auf Gemeinschaftseigentum und anderes Sondereigentum in der Regel auch dann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, wenn eine technisch und insbesondere statisch korrekte Durchführung geplant ist.
2. Ist von einer Erschwerung der Feststellung, Zuordnung und Behebung von Schäden an anderem Eigentum durch bauliche Veränderungen eines Eigentümers auszugehen, kann dies eine Beeinträchtigung der übrigen Eigentümer im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG darstellen. Unter einem Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen (verfestigte Rechtsprechung des BayObLG). Schäden am Gemeinschaftseigentum in Zusammenhang mit der Anbringung der Pflanzbeete können im vorliegenden Fall nicht völlig ausgeschlossen werden, ebenso die Erschwernis von Schadensfeststellungen und -zuordnungen. Nachteile können auch in zusätzlichen Krafteinwirkungen auf den Stahlbetonringanker des Gebäudes im Zusammenhang mit dem Durchbruch der Außenmauer sowie in der Erweiterung der Gesamtwohnfläche und der Beeinträchtigung der Harmonie des äußeren Erscheinungsbildes der Wohnanlage liegen.
Allein eine nicht auszuschließende Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen auf anderes Eigentum ist als Beeinträchtigung im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG anzusehen, ganz abgesehen von möglichen Streitigkeiten über die Ursächlichkeit entstandender Schäden. Selbst korrekte Durchführung der baulichen Veränderungsmaßnahmen stellt nicht sicher, dass zukünftig mit keinerlei Nachteilen gerechnet werden muss; die Nachteile müssen allerdings grundsätzlich mit der baulichen Maßnahme als solcher verbunden sein. Bei größeren Veränderungsbauvorhaben müssen auch Lärm- und Schmutzbeeinträchtigungen nicht hingenommen werden, insbesondere bei Notwendigkeit einer Gerüstanbringung, des Abstellens von Baumaschinen und -material auf dem gemeinschaftlichen Grundstück und des Transports von Baumaterial über das Grundstück und im Haus.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 10.05.1990, BReg 2 Z 26/90= BayObLG Z 1990 Nr. 28 = ZMR 10/90, 390 = WE 9/91, 254)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Heute findet man sehr häufig in luxuriösen Wohnanlagen auf Dachterrassen ganze Gartenlandschaften mit ständig wachsendem Baumbestand in großen Trögen und sogar gemauerten Pflanzbeeten (oftmals sogar mit zeitgeschalteten Berieselungsanlagen). Entsteht dann Streit über die Ursächlichkeit von Schäden im Gemeinschaftseigentum (meist Isolierungsschäden und Durchfeuchtungen in Unterliegerwohnungen), kann hier nur der gerichtliche Gutachter Schadensursächlichkeitsfeststellungen treffen, in der Regel durch Öffnung der Terrassenbodenkonstruktion bis hinunter zur Isolierschicht. Aus mir bisher in anderen Fällen vorliegenden Gutachten sind statische Probleme aufgrund der Troggewichte einschl. der Pflanzen nur selten gegeben; größere Risiken für eine Isolierschicht können allerdings durch ein Wurzelwerk und aggressives, durch das Erdreich sickerndes Wasser bei unterseitig nicht ordnungsgemäß abgedichteten Trögen und Beeten entstehen. Eine ordnungsgemäße Feuchtigkeitsisolierung (= Gemeinschaftseigentum) muss zwar Sickerwasser (auch durch Regeneinfall) auffangen und entsprechend ableiten; diese Funktion kann der konstruktive Bestandteil des Gemeinschaftseigentums Isolierung dann jedoch nicht mehr erfüllen, wenn Wurzeln bestimmter Pflanzen die Isolierung angreifen und schädigen. M. E. müsste also stets im Einzelfall gutachtlich geklärt werden, ob Tröge oder Beete einschl. der Pflanzen Isolierungsschäden verursacht haben könnten oder ob nicht die Isolierungen selbst (unabhängig von Terrassenaufbauten) durch Witterungseinflüsse mangelhaft und instandsetzungsbedürftig wurden. Das BayObLG scheint hier sehr streng entscheiden zu wollen, wenn schon Gefährdungen oder eine nicht auszuschließende Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen auf anderes Eigentum als möglicher Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG angesehen werden. Blumen, Sträucher und kleine Bäume dürften jedoch m. E. sicher nicht die Harmonie und den optisch-ästhetischen Gesamteindruck eines Hauses nachteilig tangieren; anders ist dies selbstverständlich bei nachträglichen Wintergärtenaufbauten auf Terrassen (nach schon bisher verfestigter obergerichtlicher Rechtsprechung). Über Art, Größe und Umfang von Pflanzen und Trögen/Beeten auf Terrassen sollten möglichst frühzeitig klare Richtlinien in Gemeinschaften festgelegt werden (in einer Hausordnung oder über präzise Beschlussfassungen).