Normenkette

§ 22 Abs. 1 WEG

 

Kommentar

1. Ersetzt die Gemeinschaftsordnung das Erfordernis der Zustimmung benachteiligter Wohnungseigentümer zu baulichen Veränderungen durch einfachen Mehrheitsbeschluss, so muss dieser sachliche Gründe haben und darf die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer nicht unbillig benachteiligen.

2. Vorliegend wurde mehrheitlich Eigentümern mit Wohnungen zur Straße hin gestattet, auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko auf freiwilliger Basis auf ihren Balkonen Wintergärten errichten zu dürfen; mitbeschlossen wurde, dass sich die Eigentümer verpflichten müssten, für einheitliche Durchführung der Umbaumaßnahmen zu sorgen und auch gemeinschaftlich die Abwicklung der Arbeiten zu überwachen und zu betreuen hätten.

Die Beschlussanfechtung hatte in allen drei Instanzen Erfolg.

Bei Eröffnung der Möglichkeit, eine bauliche Veränderung mehrheitlich gegen das Votum einzelner Eigentümer zu beschließen, müssen die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer darauf vertrauen können, dass eine ihre Rechte beeinträchtigende Beschlussfassung nicht ohne weiteres nach Belieben der Mehrheit vorgenommen werden kann. Ein solcher Beschluss kann deshalb nur Bestand haben, wenn auch hier sachliche Gründe für die Beschlussfassung vorliegen und die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer nicht unbillig benachteiligt werden (wie BayObLG, NJW-RR 1990, 209).

Da es bei der Beschlussfassung über bauliche Veränderungen um weitreichende Maßnahmen mit großer Bedeutung für die Gemeinschaft geht, entspricht die Interessenlage auch bei hier vereinbarter und möglicher Mehrheitsbeschlussfassung dem bereits vom BGH entschiedenen Sachverhalt, wonach in einer Gemeinschaftsordnung die Abänderung des Kostenverteilungsschlüssels durch qualifizierten bzw. absoluten Mehrheitsbeschluss nur mit Einschränkungen zugelassen wurde (sog. Öffnungsklausel); selbst ein solcher qualifizierter Mehrheitsbeschluss ist auch in diesem Fall nur zulässig bei Vorliegen eines sachlichen Grundes und wenn einzelne Eigentümer gegenüber dem früheren Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt werden (BGHZ 95, 137 = NJW 1995, 2832).

Vorliegend wurde zu Recht bestätigt, dass es infolge dieses Eigentümerbeschlusses zu einer uneinheitlichen Gestaltung der Straßenfrontbalkone kommen könnte, was eine unbillige Härte für nicht zustimmende Wohnungseigentümer darstelle. Da der Wintergartenbau obendrein den betreffenden Eigentümern freigestellt sei, bestehe auch die Gefahr eines uneinheitlichen Aussehens und eine empfindliche Störung der Regelmäßigkeit der im vorliegenden Fall architektonisch einheitlich gestalteten Fassade (selbst bei gleicher Ausführungsart der Wintergärten, allerdings u.U. eben nur bei einigen Balkonen).

3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung bei Geschäftswert III. Instanz von 10.000 DM.

 

Link zur Entscheidung

( KG Berlin, Beschluss vom 28.07.1999, 24 W 1542/99)

Zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

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