Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmung zu baulicher Veränderung; Ersetzung durch Mehrheitsbeschluss

 

Leitsatz (amtlich)

Ersetzt die Gemeinschaftsordnung das Erfordernis der Zustimmung benachteiligter Wohnungseigentümer zu baulichen Veränderungen durch einfachen Mehrheitsbeschluss, so muss dieser sachliche Gründe haben und darf die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer nicht unbillig benachteiligen (wie BayObLG NJW-RR 1990, 209 und BGHZ 95, 137).

 

Normenkette

WEG § 22 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 85 T 207/98)

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 76 II (WEG) 437/97)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 10.000,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin und die Beteiligten zu II. und III. sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage D… in 1… …. In dem Haus befinden sich zur Straße gelegen 9 Einzimmerwohnungen, welche über die gesamte Breite mit überdachten Balkonen versehen sind, die auch seitlich jeweils durch gemauerte Wände begrenzt sind.

In der Teilungserklärung vom 21. März 1969 (UR-Nr. 205/1969), des Notars H… S… aus … ist unter § 5 Ziffer 3 bestimmt:

In Ergänzung des § 14 WEG wird bestimmt, daß die Wohnungseigentümer die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile des Gebäudes nicht eigenhändig verändern dürfen. Dies gilt auch für den Außenanstrich des Gebäudes einschließlich der Balkone, der Fenster und der Wohnungsabschlusstüren.

Änderungen der äußeren Gestalt oder des Anstrichs des Gebäudes bedürfen des Beschlusses der Eigentümerversammlung mit einfacher Mehrheit.

In der Eigentümerversammlung vom 20. November 1997 wurde unter TOP 1 folgender Mehrheitsbeschluss gefasst:

Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, dass diejenigen Eigentümer, deren Wohnungen zur Straße gelegene Balkone enthalten, hier auf eigene Kosten und Risiko Wintergärten errichten dürfen. Die Kostentragungspflicht umfasst die Kosten der Errichtung und der Erhaltung und der Instandhaltung mit Ausnahme der ohnehin fälligen Kosten der Sanierung der tragenden Balkonteile. Die zustimmenden Eigentümer erkennen diese Kostentragungspflicht abweichend von den Regelungen des § 5 Abs. 1 der Teilungserklärung vom 21. März 1969 ausdrücklich als selbständige Verpflichtung gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft an.

Die Eigentümer verpflichten sich ferner für die einheitliche Durchführung der Umbaumaßnahmen zu sorgen. Sie werden darüber hinaus gemeinschaftlich die Abwicklung der Arbeiten überwachen und betreuen.

Die Antragstellerin hat beantragt, diesen Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären, da die beabsichtigten Maßnahmen eine bauliche Veränderung darstellen, die eines einstimmigen Beschlusses bedurft hätten.

Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben mit der Begründung, der Beschluss ließe eine sukzessive Veränderung der äußeren Gestalt zu und die mögliche Folge eines uneinheitlichen Charakters des Gebäudes entsprächen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu II. zurückgewiesen und ausgeführt, dass auch bei formeller Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses dieser inhaltlich zu beanstanden sei, weil es jedem Wohnungseigentümer freigestellt sei, ob er seinen Balkon verglasen lasse. Damit sei die Gefahr eines uneinheitlichen Erscheinungsbildes hervorgerufen. Da das Gebäude derzeit durch sein regelmäßiges harmonisches Aussehen geprägt werde, seien die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer durch den Beschluss unbillig benachteiligt.

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde wendet sich die Beteiligte zu II. gegen den Beschluss des Landgerichts. Sie ist der Auffassung, die Teilungserklärung lasse entgegen der Auslegung des Landgerichts nicht erkennen, daß nur eine bestimmte, nämlich einheitliche Änderung der Fassadengestaltung mehrheitlich beschlossen werden könne. Der angefochtene Beschluss müsse auch Wirksamkeit entfalten, wenn die Eigentümergemeinschaft mehrheitlich die Möglichkeit einer uneinheitlichen Fassadengestaltung beschließe, wenn dieser Beschluß nicht völlig willkürlich sei.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu II. ist gemäß §§ 27, 29 FGG, § 45 Abs. 1 WEG zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Einen Rechtsfehler, auf den das Rechtsmittel mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.

Rechtsfehlerfrei führt das Landgericht aus auf der Eigentümerversammlung vom 20. November 1997 sei zu TOP 1 die bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 22 WEG beschlossen worden, die über die eine ordnungsgemäße Instandhaltung bzw. Instandsetzung hinausgehe. Das Landgericht stellt insoweit verfahrensfehlerfrei fest, dass die geplante Verglasung der Balkone für die Wohnungseigentümer einen Nachteil darstelle, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehe, denn dur...

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