Leitsatz

Der Ersteher einer Wohnung kraft Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren haftet hinsichtlich des Einzelabrechnungsergebnisses bei Genehmigungsbeschlussfassung zeitlich nach dem Zuschlag nur für die sog. Abrechnungsspitze. Für Begründung seiner Haftung auch für noch offene Beitragsvorauszahlungen aus dem Vorjahreswirtschaftsplan neben der Haftung des Voreigentümers fehlt den Miteigentümern die Beschlusskompetenz

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 4, 16 Abs. 2, 28 WEG; § 56 ZVG

 

Kommentar

  1. Zum Zeitpunkt der Beschlussgenehmigung der Jahresabrechnung 2007 im Juni 2008 war die Beklagte bereits Eigentümerin, da sie ihr Wohnungseigentum schon im April 2008 durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben hatte. Es entspricht zwischenzeitlich h.M., dass ein Ersteher in der Zwangsversteigerung nicht für noch offene Beitragsvorauszahlungsschulden aus dem Wirtschaftsplan für ein Vorjahr haftet, die bereits zulasten des Voreigentümers fällig geworden sind (vgl. BGH, NJW 1999 S. 3713). Haftung des Rechtsnachfolgers besteht hier nur für eine darüber hinausgehende Abrechnungsspitze (vgl. auch LG Bonn, ZMR 2009 S. 476). An dieser Rechtslage ändert auch § 10 Abs. 4 WEG nichts (a.A. Merle in Bärmann, 11. Aufl., § 28, Rn. 152). Ein beschlossener Wirtschaftsplan begründet zunächst lediglich eine Haftung des jeweiligen Miteigentümers, da objektgebundene Wohngeldschulden nach § 16 Abs. 2 WEG an die Miteigentümerstellung anknüpfen (h.M.). Bis zum Zuschlag in der Zwangsversteigerung ist ausschließlich der Voreigentümer Zahlungsschuldner. § 10 Abs. 4 WEG erklärt lediglich den Beschluss über den Wirtschaftsplan auch für den neu hinzugekommenen Rechtsnachfolger für verbindlich, lässt dabei aber den Inhalt des Beschlusses unberührt. In alleiniger objektiver Auslegung kann auch ein Jahresabrechnungs-Genehmigungsbeschluss keine Wohngeldansprüche gegen den Ersteher/Rechtsnachfolger bezüglich der noch offenen Beiträge aus dem Vorjahreswirtschaftsplan begründen. Ein solcher Abrechnungsbeschluss kann weder eine befreiende Schuldübernahme durch den Ersteher zugunsten des Voreigentümers erzeugen noch die Begründung eines kumulativen Schuldbeitritts des Erstehers. Eigentümern fehlt für eine solche Entscheidung die Regelungskompetenz, was sogar zur Nichtigkeit des Beschlusses mangels bestehender Beschlusskompetenz führt. Mit einer solchen Abrechnungsgenehmigung wollen auch Eigentümer nicht den Voreigentümer einfach aus seiner Haftung aus dem vorausgehenden Wirtschaftsplan entlassen.
  2. Ein Abrechnungsgenehmigungsbeschluss hat lediglich bestätigende Wirkung, soweit es um die bereits durch den Wirtschaftsplan begründeten Wohngeldvorauszahlungsansprüche geht (h.M. im Anschluss an BGH, NJW 1999 S. 3713, 3714). Begründet der Wirtschaftsplan bereits Wohngeldforderungen, wird durch die Jahresabrechnungsgenehmigung keine neue Haftung begründet, sondern nur die schon bestehende nochmals bekräftigt. Auch für die Begründung einer solchen zusätzlichen Haftung eines Erstehers fehlt Miteigentümern die Beschlusskompetenz, die sich somit auch nicht aus § 28 Abs. 5 WEG als zusätzliche Absicherungsmaßnahme ableiten lässt. Für Schulden des Voreigentümers aufgrund des Wirtschaftsplans besteht deshalb keine Haftung eines Rechtsnachfolgers.
  3. Ansprüche gegen den Ersteher ergeben sich allein hinsichtlich des Betrags, der sich rechnerisch noch nicht aus dem Vorjahreswirtschaftsplan ergibt, der vielmehr erstmals durch die Jahresabrechnung als sog. Abrechnungsspitze begründet wurde. Dies ist hinsichtlich der Einzelabrechnung der auf den jeweiligen Eigentümer entfallende Betrag, der die nach dem Wirtschaftsplan beschlossenen Vorschüsse übersteigt; insoweit wird durch die Abrechnung originär eine neue Schuld begründet (h.M.). Zur Zahlung dieser Schuld ist derjenige verpflichtet, der zur Zeit der Beschlussfassung Wohnungseigentümer ist, im vorliegenden Fall also bereits der Ersteher, da der Zuschlag schon vor Genehmigungsbeschluss über die Jahresabrechnung erfolgte. Ein Voreigentümer kann insoweit durch einen solchen Beschluss nicht mehr verpflichtet werden, da dies ein grundsätzlich unzulässiges Rechtsgeschäft zulasten Dritter wäre.
  4. Diesem Ergebnis steht auch § 56 Satz 2 ZVG nicht entgegen, da der Beschluss der Jahresabrechnung originär in Höhe der Abrechnungsspitze eine Kostenlast – wie im vorliegenden Fall – begründete; die Forderung ist erst nach dem Zuschlag entstanden, da auch der Beschluss erst nach dem Zuschlag gefasst wurde.

    In Höhe der errechneten Abrechnungsspitze war deshalb die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen.

Anmerkung

Diese Entscheidung entspricht der heute vorherrschenden Rechtsmeinung und bezieht sich in seiner Argumentation nicht nur auf den originären Eigentumswechsel durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren, sondern auch auf jegliche rechtsgeschäftliche Eigentums- bzw. anderweitigen Verfügungswechsel im Eigentum. Was rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragungen betrifft, muss allerdings eine Gemeinschaftsordnung überprüft werden, ob dort nicht eine Erwe...

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