Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Duldungspflicht der Anbringung eines Balkons
Antragsrecht des Ersterwerbers (faktischer Eigentümer)?
Vor Fertigstellung keine bauliche Veränderung
Normenkette
§ 13 Abs. 2 WEG, § 14 Nr. 1 WEG, § 21 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 43 Abs. 1 WEG, § 45 Abs. 2 WEG
Kommentar
1. Wird durch das eigenmächtige Anbringen eines Balkons vor einer Erdgeschosswohnung das Recht eines Wohnungseigentümers auf Mitgebrauch eines zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden 75 cm breiten Grundstückstreifens ausgeschlossen, so werden in der Regel, wenn nicht trifftige Gründe für den Mitgebrauch dieses Grundstückstreifens bestehen, Rechte dieses Wohnungseigentümers nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt.
2. Im vorliegenden Fall musste die Sache an das Landgericht zurückverwiesen werden, da noch abzuklären sei, ob der die Beseitigung des Balkons verlangende Antragsteller (noch nicht im Grundbuch eingetragen) überhaupt ein Antragsrecht nach § 43 Abs. 1 WEG besitze (Problematik Ersterwerber als faktischer Eigentümer oder bereits Rechtsnachfolger in entstandener Wohnungseigentümergemeinschaft, vgl. BayObLG, Entscheidung vom 11. 4. 1990, Az.: BReg 2 Z 7/90und BayObLG, Entscheidung vom 22. 11. 1990, Az.: BReg 2 Z 103/90= BayObLGZ 1990, 101). Ohne bestehendes Antragsrecht (bei Rechtsnachfolge) müßte die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen werden, dass der Antrag als unzulässig zu verwerfen sei.
3. Sollte dem Antragsteller als Mitglied einer werdenden Gemeinschaft die Antragsbefugnis jedoch zustehen, würde sich die sofortige weitere Beschwerde als unbegründet erweisen (Verneinung des Anspruchs auf Beseitigung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands); bei einem Balkonanbau vor Fertigstellung der Gesamtanlage (d. h. vor Beginn der werdenden Gemeinschaft) gäbe es gegen den Balkoneigentümer keinen Anspruch auf Beseitigung; entsprechende Ansprüche wären hier allein auf erstmalige Herstellung gegen alle Eigentümer zu richten (Ansprüche nach § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG; ständige Rechtsprechung des Senats); alle Eigentümer müssten dann die Maßnahme auf gemeinschaftliche Kosten durchführen lassen.
4. Die Rückverweisung sei allerdings erforderlich, da sich die Rechtsfolgen je nach dem unterscheiden, ob die sofortige weitere Beschwerde als unbegründet oder mit der Maßgabe zurückgewiesen wird, dass der Antrag unzulässig sei. Die Zurückweisung einer sofortigen weiteren Beschwerde als unbegründet sei eine Sachentscheidung, die rechtskräftig für und gegen alle Beteiligten im Sinne des § 43 Abs. 4 Nr. 1 festlege, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe ( § 45 Abs. 2 WEG). Werde dagegen die sofortige weitere Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag unzulässig sei, träten die weiterreichenden Rechtskraftwirkungen einer Zurückweisung der Rechtsbeschwerde als unbegründet nicht ein.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 10.01.1991, BReg 2 Z 152/90)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer