6.3.5.1 Überblick
Rz. 572
Ist ein Mängelrecht nicht gemeinschaftsbezogen, werden also durch seine Durchsetzung gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht gewichtig beeinträchtigt, kann jeder Wohnungseigentümer dieses Mängelrecht zunächst individuell durchsetzen und selbstständig verfolgen. Solange kein abweichender Beschluss der Wohnungseigentümer vorliegt ("Vergemeinschaftung"), ist jeder Erwerber zunächst allein berechtigt, seine Ansprüche auf Erfüllung des Vertrags auch hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums gegen den Bauträger selbstständig geltend zu machen.
Rz. 573
Verfolgt der Erwerber die Beseitigung von Mängeln vor einer Vergemeinschaftung, handelt er grundsätzlich im wohlverstandenen Interesse aller Wohnungseigentümer. Dies gilt für folgende Mängelansprüche:
- den Mängelbeseitigungsanspruch = Nacherfüllung; die einzelnen Nacherfüllungsansprüche sind auf die Herstellung des gesamten Gemeinschaftseigentums und nicht nur auf den betreffenden Miteigentumsanteil gerichtet. Aufgrund der Unteilbarkeit dieser Leistung sind die Erwerber im Regelfall Mitgläubiger i. S. d. § 432 Abs. 1 BGB und nicht Gesamtgläubiger nach § 428 BGB. Jeder Erwerber kann somit vom Bauträger nur Leistung an alle Erwerber verlangen; der Bauträger kann nur an alle Erwerber gemeinschaftlich leisten;
- den Anspruch auf Selbstvornahme;
- den Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen;
- den Anspruch auf Vorschuss. Auch hinsichtlich dieses Anspruchs besteht Mitgläubigerschaft i. S. v. § 432 BGB. Ein Wohnungseigentümer kann diesen Anspruch daher nur mit der Maßgabe geltend machen, dass der Vorschuss an sämtliche Wohnungseigentümer als Rechteinhaber zu zahlen ist. Es steht einem Erwerber außerdem frei, zunächst Vorschuss zu verlangen und später die Voraussetzungen für den Anspruch auf großen Schadensersatz zu schaffen. Hat ein Wohnungseigentümer Klage auf Vorschuss erhoben, wird dieser Klage durch einen fruchtlosen Fristablauf zur Nacherfüllung die Grundlage entzogen. Nach fruchtlosem Fristablauf besteht ein Anspruch auf Mängelbeseitigung nicht mehr, sodass auch kein Vorschuss mehr verlangt werden kann. Das hindert den Erwerber jedoch nicht, einerseits den eigenen Schadensersatzanspruch und andererseits in seiner Eigenschaft als ermächtigtes Mitglied des Verwaltungsbeirats die verbleibenden Ansprüche auf Zahlung von Vorschuss anderer Wohnungseigentümer zu verfolgen.
6.3.5.2 Vergemeinschaftung
Rz. 573a
Die Wohnungseigentümer besitzen gem. § 21 Abs. 1, 3 und Abs. 5 Nr. 2 WEG die Kompetenz, nicht gemeinschaftsbezogene Mängelrechte im Wege des Beschlusses zu vergemeinschaften und der Wohnungseigentümergemeinschaft als Aufgabe zuzuweisen, soweit die ordnungsgemäße Verwaltung ein gemeinschaftliches Vorgehen erfordert. Der Befugnis der Wohnungseigentümer, Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche durch Beschluss auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung zu übertragen, steht nicht entgegen, dass nur einem Wohnungseigentümer ein Anspruch auf ordnungsgemäße Herstellung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zusteht.
Beschlüsse zur Vergemeinschaftung werden von Verwaltern häufig sehr schlecht formuliert und laufen damit im Ergebnis zum Schaden der Wohnungseigentümer leer.
Rz. 574
Beschluss über Vergemeinschaftung von Mängelrechten
Beschlussvorschlag: "Die Ausführung sämtlicher Mängelansprüche der Wohnungseigentümer als Erwerber gegen ___ Bauträger am gemeinschaftlichen Eigentum werden – mit Ausnahme des Rechts auf Rücktritt und des Schadensersatzes wegen der ganzen Leistung – der Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen. Der Verwalter wird ermächtigt, im Namen der Wohnungseigentümer und im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft die erforderlichen und zweckdienlichen Handlungen vorzunehmen sowie die notwendigen und zweckdienlichen Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Die Ermächtigung umfasst die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche. Der Verwalter ist befugt, mit Rechtsanwalt ___ (Name) zur außer- und prozessua...