Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die in der Praxis häufig auftauchende Frage, wann einem gegenüber minderjährigen Kindern Unterhaltsverpflichteten im Hinblick auf seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit die Ausübung einer Nebentätigkeit zumutet werden kann.
Sachverhalt
Der Kläger machte nach § 7 UVG übergegangenen Kindesunterhalt i.H.v. 1.512,00 EUR für den Zeitraum vom 1.10.2007 bis zum 30.6.2008 geltend.
Der Beklagte war Vater eines minderjährigen Kindes, das in dem Haushalt seiner Mutter lebte. In dem fraglichen Zeitraum lebte ein weiteres Kind bei ihm, für das er außer dem staatlichen Kindergeld keine Leistungen erhielt. Der Beklagte verfügte über keine Berufsausbildung und arbeitete in dem Zeitraum von Oktober 2007 bis Mai 2008 bei einem Zeitarbeitsunternehmen. Er erhielt dort ausweislich der von ihm vorgelegten Lohnabrechnungen 5,95 EUR pro Stunde sowie teilweise Nachtschicht-, Feiertags- bzw. Überstundenzuschläge. Seine schwankende Arbeitszeit entsprach nicht einer vollschichtigen Tätigkeit. Sie lag zwischen 35 und 43 Stunden pro Woche. Im Juni 2008 war der Beklagte wieder arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld i.H.v. 486,98 EUR.
Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage unter Hinweis auf die Leistungsunfähigkeit des Beklagten abgewiesen.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Berufung. Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Das OLG folgte der Auffassung des AG und ging ebenfalls von fehlender Leistungsfähigkeit des Beklagten aus.
Unter Berücksichtigung einer fehlenden Ausbildung des Klägers sowie der Situation auf dem Arbeitsmarkt könne ihm kein höherer Stundenlohn als 7,30 EUR brutto zugerechnet werden. Damit könne er bei einer vollschichtigen Tätigkeit von 40 Stunden pro Woche kein über dem Selbstbehalt von 900,00 EUR liegendes bereinigtes Nettoeinkommen erzielen.
Neben der unterstellten vollschichtigen Tätigkeit könne ihm nicht zusätzliches Einkommen aus einer Nebentätigkeit fiktiv zugerechnet werden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG könne eine über die tatsächliche Erwerbstätigkeit hinausgehende Obliegenheit des Unterhaltspflichtigen zur Erzielung von Einkommen, das diesem insoweit bei der Unterhaltsberechnung fiktiv zugerechnet werde, nur angenommen werden, wenn und soweit die Aufnahme einer weiteren und anderen Erwerbstätigkeit dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar sei und ihn nicht unverhältnismäßig belaste.
Danach sei im Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang es dem Unterhaltspflichtigen unter Abwägung seiner von ihm darzulegenden Lebens- und Arbeitssituation einerseits und der Bedarfslage des Unterhaltsberechtigten andererseits zugemutet werden könne, eine Nebentätigkeit auszuüben. Der Beklagte habe dargelegt, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum seinen bei ihm lebenden und damals noch minderjährigen Sohn zu versorgen gehabt habe, für den er weder Unterhalt noch - außer Kindergeld - staatliche Leistungen erhalten habe. Der damals 16-jährige Sohn sei noch erziehungsbedürftig gewesen und habe nicht vollständig sich selbst überlassen werden können. Aufgrund dessen sei davon auszugehen, dass dem Beklagten nicht mehr zugemutet werden könne als eine vollschichtige Tätigkeit von 40 Stunden pro Woche.
Link zur Entscheidung
OLG Nürnberg, Urteil vom 28.07.2009, 9 UF 215/09