Zusammenfassung
Für das Modethema ESG findet sich auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene mittlerweile eine Vielzahl von Standards und Normen, die für Unternehmen und ihre ESG-Maßnahmen relevant sind. Der Beitrag gibt einen Überblick.
ESG (Environment, Social & Governance) ist in aller Munde. Aus Unternehmenssicht handelt es sich um ein neues Querschnittsthema, das in der arbeitsteiligen Unternehmensorganisation in den meisten Unternehmensbereichen Bedeutung erlangt. Auch in den Rechtsabteilungen ist ESG mittlerweile angekommen bzw. sollte dort zeitnah ankommen. Das zum 1.1.2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die sich daraus ergebenden umfangreichen Folgen für Regelungsadressaten und ihre Zulieferer sind nur ein aktuelles Beispiel von vielen. Denn die Verbindungen zwischen ESG und Recht sind vielfältig und ziehen sich quer durch alle für Unternehmen relevanten Rechtsgebiete. Das gilt – wenn auch natürlich in unterschiedlicher Ausprägung – für alle Unternehmen unabhängig von Größe und Branche.
Für jede der drei Dimensionen von ESG lassen sich eine Reihe von ESG-Stakeholdern definieren, die mit Anforderungen und Erwartungen an Unternehmen herantreten können. Dies sind Gesetzgeber, Investoren, Banken und Versicherer, Vertragspartner in der Lieferkette, Endkunden und Betroffene/Geschädigte/Nichtregierungsorganisationen. Innerhalb dieser Gruppen gibt es wiederum verschiedene Player, die mitunter unterschiedliche ESG-Erwartungen haben. Die verschiedenen Gesetzgeber verpflichten Unternehmen in zunehmendem Maße per Gesetz dazu, relevante Nachhaltigkeitsaspekte zu identifizieren und angemessen zu berücksichtigen. Andere Stakeholder tragen ihre ESG-Erwartungen über wirtschaftliche und vertragliche Forderungen, vertraulich oder öffentlich und zunehmend auch im Wege von Gerichtsprozessen (vgl. Climate Change Litigation) an Unternehmen heran. Im Ergebnis werden sich Nachhaltigkeitsaspekte – hier insbesondere auch Klimawandel und Klimaschutz – zunehmend auf die Geschäftsmodelle nahezu aller Unternehmen auswirken. Für Unternehmen gibt es daher allen Grund, sich mit ihren spezifischen Nachhaltigkeitsrisiken zu befassen, vor allem aber auch die Chancen zu erkennen und zu ergreifen, die sich für sie im Zusammenhang mit den zu erwartenden Transformationsprozessen ergeben.
Das folgt bereits aus den allgemeinen Sorgfaltspflichten der Unternehmensleitung (§§ 76, 93 AktG, §§ 35, 43 GmbHG). Andere nicht ESG-spezifische Regelungen können ebenfalls auch für Sachverhalte mit ESG-Bezug relevant werden. Das gilt etwa für das Deliktsrecht (relevant z.B. für Climate Change und Human Rights Litigation) und das Wettbewerbsrecht (relevant im Hinblick auf das sog. Greenwashing). Hinzu kommt eine fast unüberschaubare Vielfalt an unverbindlichen und zunehmend auch verbindlichen ESG-spezifischen Regelwerken und Regulierungsvorhaben auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene. Wir geben nachfolgend einen kurzen, nicht abschließenden Überblick über besonders relevante ESG-spezifische Standards und Normen.
Internationale Standards
Die internationalen Menschenrechte sind von übergeordneter Bedeutung und liegen den nachfolgenden internationalen Standards zumeist explizit, jedenfalls aber implizit zugrunde. Unternehmen sind grundsätzlich nicht an diese internationalen Standards gebunden. Es handelt sich vielmehr um so genanntes "soft law", das für Unternehmen keine unmittelbaren rechtlich verbindlichen Pflichten begründet. Ob und inwieweit eine mittelbare Einwirkung, etwa über die Konkretisierung abstrakter Regelungen im nationalen Recht, in Betracht kommt, ist nicht abschließend geklärt.
Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen hat zum Ziel, weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde zu gestalten. Kernstück der Agenda 2030 sind die 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, kurz: SDGs).
Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte gliedern sich in drei Säulen: Die Pflicht der Staaten zum Schutz der Menschenrechte, die Verantwortung der Unternehmen, das geltende Recht einzuhalten und die Menschenrechte zu achten sowie den Zugang zu angemessenen und wirksamen Abhilfemaßnahmen bei Menschenrechtsverletzungen. Eine Arbeitsgruppe arbeitet seit Jahren an einem rechtsverbindlichen internationalen Übereinkommen, das die Vertragsstaaten künftig dazu verpflichten soll sicherzustellen, dass transnational tätige Unternehmen die Menschenrechte achten.
Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen beschäftigen sich mit den Themen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Transparenz, Sozialpartnerschaft, Umwelt, Korruptionsbekämpfung, Verbraucherinteressen, Wissens- und Technologietransfer, Wettbewerb und Besteuerung. Ziel ist die Förderung einer verantwortungsvollen Unternehmensführung.
In der dreigliedrigen Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik der International...