Rz. 6

Die gesetzliche Erbfolge[9] tritt ein, wenn:

kein Testament oder Erbvertrag vorhanden ist oder das Testament oder der Erbvertrag nicht das ganze Vermögen des Erblassers umfasst;
das Testament für ungültig erklärt wurde;
die testamentarischen Erben oder die Erben nach dem Erbvertrag auf ihren Erbteil verzichtet haben oder gestorben sind und weitere Erben nicht eingesetzt sind, und sich aus dem Testament, dem Erbvertrag oder dem Gesetz auch weiter nicht ergibt, dass andere Personen an ihrer Stelle nach dem Testament oder dem Erbvertrag erben.

Die gesetzliche Erbfolge ist auch für die Ermittlung der Erben des Pflichtteils wesentlich.

Gesetzliche Erben sind der Ehegatte des Erblassers, die im ErbG genannten Verwandten, die Gemeinden und der Staat. Adoptivkinder und Adoptiveltern haben laut Familiengesetz[10] (im Weiteren: FamG) nach § 161 Abs. 2 den gleichen rechtlichen Status wie leibliche Kinder[11] und leibliche Eltern.

 

Rz. 7

Erbfähig ist jede rechtsfähige Person. Erbe kann sein:

eine natürliche Person, die zum Zeitpunkt des Erbfalles lebte;
eine natürliche Person, die zum Zeitpunkt des Erbfalles gezeugt war und danach lebend geboren wurde;
eine juristische Person, die zum Zeitpunkt des Erbfalles existierte;
eine Stiftung, die aufgrund einer Verfügung im Testament oder Erbvertrag gegründet wird.
 

Rz. 8

Erbunfähig ist eine natürliche Person, die:

vorsätzlich und widerrechtlich den Tod des Erblassers verursachte oder dies versuchte;
vorsätzlich und widerrechtlich den Erblasser in eine Lage versetzte, in der er bis zu seinem Tod unfähig war, seinen letzten Willen auszudrücken oder zu ändern;
den Erblasser durch Gewalt oder Täuschung daran hinderte, seinen letzten Willen auszudrücken oder zu ändern oder ihn auf gleiche Weise zwang, seinen letzten Willen auszudrücken oder für nichtig zu erklären, wenn der Erblasser seinen eigentlichen letzten Willen dabei nicht ausdrücken konnte;
vorsätzlich und widerrechtlich das Testament oder den Erbvertrag beseitigt oder vernichtet hat, wenn der Erblasser diesen nicht mehr erneuern konnte;
das Testament oder den Erbvertrag oder Teile davon gefälscht hat.

Erbunfähig gegenüber dem eigenen Kind ist außerdem ein Elternteil, dem das Gericht dessen elterlichen Rechte in vollem Umfang aberkannt hat.

Die Erbunfähigkeit eines möglichen Erbes wird erbrechtlich seinem Tod gleichgesetzt: an seiner Stelle erben diejenigen, die geerbt hätten, falls der erbunfähige Erbe vor dem Erbfall selbst gestorben wäre.

[9] Die gesetzliche Erbfolge ist im 2. Kapitel (§§ 10–18) des ErbG geregelt.
[10] Perekonnaseadus, RT I 2009, 60, 395; in Kraft getreten am 1.7.2010; zuletzt geändert am 1.3.2018.
[11] Im estnischen Recht wird zwischen ehelich und unehelich geborenen Kindern kein Unterschied gemacht. Maßgeblich ist, dass die Abstammung rechtlich korrekt festgestellt ist.

1. Die Verwandten als gesetzliche Erben

 

Rz. 9

Die gesetzliche Erbfolge der Verwandten ist in drei Ordnungen unterteilt. Erbt ein Erbe einer vorrangigen Ordnung, sind alle Erben der darauf folgenden Ordnungen vom Erbe ausgeschlossen.

a) Erste Ordnung

 

Rz. 10

Die erste Ordnung besteht aus den Kindern des Erblassers. Diese erben zu gleichen Teilen. Wenn ein Kind des Erblassers vor dem Erbfall gestorben ist, erben seine hinterbliebenen Abkömmlinge seinen Anteil jeweils zu gleichen Teilen.

b) Zweite Ordnung

 

Rz. 11

Die zweite Ordnung besteht aus den Eltern des Erblassers. Diese erben zu gleichen Teilen. Wenn ein Elternteil vor dem Erbfall gestorben ist, erben seine hinterbliebenen Abkömmlinge seinen Teil zu gleichen Teilen; falls keine solchen Abkömmlinge vorhanden sind, erbt der andere Elternteil allein. Wenn beide Eltern des Erblassers vor dem Erbfall gestorben sind, erben alle ihre hinterbliebenen Abkömmlinge den Anteil der Eltern jeweils zu gleichen Teilen.

c) Dritte Ordnung

 

Rz. 12

Die dritte Ordnung besteht aus den Großeltern des Erblassers. Diese erben zu gleichen Teilen. Wenn einige oder alle Großeltern des Erblassers vor dem Erbfall gestorben sind, erben ihre hinterbliebenen Abkömmlinge den Anteil ihrer Eltern jeweils zu gleichen Teilen.

2. Der Ehegatte als gesetzlicher Erbe

 

Rz. 13

Der Ehegatte erbt zusammen mit den Verwandten des Erblassers:

neben Erben der ersten Ordnung so viel wie ein Kind des Erblassers, aber nicht weniger als ¼ des Erbes;
neben Erben der zweiten Ordnung die Hälfte des Erbes.

Gibt es keine Erben der ersten oder zweiten Ordnung, ist der Ehegatte Alleinerbe.

 

Rz. 14

Zusätzlich zu seinem Erbteil hat der Ehegatte das Recht, im Grundbuch der Immobilie, die bis zum Tod des Erblassers der gemeinsame Wohnort der Ehegatten war, die Eintragung einer bedingten persönlichen Dienstbarkeit nach § 227 Sachenrechtgesetz zu fordern, falls sich der Lebensstandard des überlebenden Ehegatten andernfalls verschlechtern würde. Dies gilt nicht, wenn bereits vor dem Tod des Erblassers die Scheidung eingereicht war.

Zusätzlich zu seinem Erbteil erhält der Ehegatte außerdem die gewöhnlichen Einrichtungsgegenstände des gemeinsamen Heimes der Ehegatten, die rechtlich als Vermächtnis behandelt werden.

3. Die Gemeinde und der Staat als gesetzliche Erben

 

Rz. 15

Hinterließ der Erblasser keine Verwandten und...

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