Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen. Grundsatz ne bis in idem. Anwendungsbereich. Identität der materiellen Tat. Keine hinreichenden Angaben zum tatsächlichen Zusammenhang und zu den Gründen, aus denen sich die Notwendigkeit einer Antwort auf die Vorlagefrage ergibt. Offensichtliche Unzulässigkeit
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 53 Abs. 2, Art. 94, 54
Beteiligte
Tenor
Das vom Županijski sud u Puli (Gespanschaftsgericht Pula, Kroatien) mit Entscheidung vom 17. Februar 2020 eingereichte Vorabentscheidungsersuchen ist offensichtlich unzulässig.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Županijski sud u Puli (Gespanschaftsgericht Pula, Kroatien) mit Entscheidung vom 17. Februar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Februar 2020, in dem Strafverfahren gegen
GR,
HS,
IT,
INTER CONSULTING d.o.o., in Liquidation,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. G. Xuereb (Berichterstatter) sowie der Richter T. von Danwitz und A. Kumin,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 54 des am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten und am 26. März 1995 in Kraft getretenen Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 19, im Folgenden: SDÜ).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen GR, HS und IT sowie die Inter Consulting d.o.o., in Liquidation, denen vorgeworfen wird, in Kroatien im Rahmen von Handelsgeschäften Untreue begangen, zu deren Begehung angestiftet oder dazu Beihilfe geleistet zu haben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Beitrittsakte
Rz. 3
Art. 4 Abs. 1 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2012, L 112, S. 21, im Folgenden: Beitrittsakte) lautet:
„Die Bestimmungen des Schengen-Besitzstands, die in dem dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokoll über den in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand … aufgeführt sind, und die darauf aufbauenden oder anderweitig damit zusammenhängenden Rechtsakte, die in Anhang II aufgeführt sind, sowie alle weiteren vor dem Tag des Beitritts erlassenen Rechtsakte dieser Art sind ab dem Tag des Beitritts für Kroatien bindend und in Kroatien anzuwenden.”
Rz. 4
Anhang II der Beitrittsakte trägt die Überschrift „Verzeichnis der Bestimmungen des in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstands und der darauf beruhenden oder anderweitig damit zusammenhängenden Rechtsakte, die ab dem Beitritt für die Republik Kroatien bindend und in der Republik Kroatien anzuwenden sind (nach Artikel 4 Absatz 1 der Beitrittsakte)”. Hierzu sieht Nr. 2 dieses Anhangs vor: „Folgende Bestimmungen des [SDÜ] und zugehörige Schlussakte und gemeinsame Erklärungen …, geändert durch verschiedene der unter Nummer 8 dieses Anhangs aufgeführten Rechtsakte:
… Artikel 54 bis 58 …”
Das SDÜ
Rz. 5
Art. 54 SDÜ gehört zu Kapitel 3 („Verbot der Doppelbestrafung”) und bestimmt:
„Wer durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, darf durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann.”
Kroatisches Recht
Rz. 6
Art. 31 Abs. 2 der Verfassung der Republik Kroatien lautet:
„Niemand darf wegen einer Handlung, wegen der er bereits durch eine rechtmäßig erlassene, rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts freigesprochen oder verurteilt worden ist, erneut abgeurteilt oder strafrechtlich verfolgt werden.”
Rz. 7
Gemäß § 246 Abs. 1 und 2 des Kazneni zakon (Strafgesetzbuch) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung ist Untreue bei Handelsgeschäften eine Wirtschaftsstraftat.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Rz. 8
Zum Zeitpunkt des Sachverhalts im Ausgangsverfahren war GR Mitglied der Geschäftsführung der Skiper Hoteli d.o.o. und der Interco Umag d.o.o., Umag (im Folgenden: Interco), aus der in der Folge Inter Consulting hervorging. Außerdem war er Gesellschafter der Rezidencija Skiper d.o.o. sowie an der Alterius d.o.o. bete...