Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste. Annullierung eines Fluges. Ausgleichsanspruch im Fall des Angebots zur anderweitigen Beförderung. Voraussetzungen. Unterschiede zwischen den verschiedenen Sprachfassungen einer Bestimmung des Unionsrechts. Anderweitige Beförderung, die es den Fluggästen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii
Beteiligte
Compania Naţională de Transporturi Aeriene Tarom |
Compania Naţională de Transporturi Aeriene Tarom SA |
Tenor
Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91
ist dahin auszulegen, dass
den betroffenen Fluggästen bei Annullierung eines Fluges vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 dieser Verordnung eingeräumt wird, es sei denn, sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten von diesem Luftfahrtunternehmen ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.
Tatbestand
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Specializat Cluj (Fachgericht Cluj, Rumänien) mit Entscheidung vom 25. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 29. März 2022, in dem Verfahren
NC
gegen
Compania Naţţională de Transporturi Aeriene Tarom SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec (Berichterstatter),
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einem Fluggast, NC, und dem Luftfahrtunternehmen Compania Naţională de Transporturi Aeriene Tarom SA (im Folgenden: Tarom) wegen der Weigerung von Tarom, ihm nach der Verschiebung der ursprünglichen planmäßigen Abflugzeit seines Fluges einen Ausgleich zu leisten.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1 und 12 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:
„(1) Die Maßnahmen der [Union] im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.
…
(12) Das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten, die den Fluggästen durch die Annullierung von Flügen entstehen, sollten ebenfalls verringert werden. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass die Luftfahrtunternehmen veranlasst werden, die Fluggäste vor der planmäßigen Abflugzeit über Annullierungen zu unterrichten und ihnen darüber hinaus eine zumutbare anderweitige Beförderung anzubieten, so dass die Fluggäste umdisponieren können. Andernfalls sollten die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen einen Ausgleich leisten und auch eine angemessene Betreuung anbieten, es sei denn, die Annullierung geht auf außergewöhnliche Umstände zurück, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.”
Rz. 4
In Art. 5 („Annullierung”) dieser Verordnung heißt es:
„(1) Bei Annullierung eines Fluges [wird] den betroffenen Fluggästen
…
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
…
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderwei...