Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Nichtbeförderung, Annullierung oder große Verspätung von Flügen. Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste. Begriff ‚Annullierung’. Umleitung eines Fluges zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Flughafen, der nicht denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient. Anderweitige Beförderung der Fluggäste per Reisebus

 

Normenkette

Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 5, 7, 8 Abs. 3

 

Beteiligte

TUIfly

FI

RE

TUIfly GmbH

 

Tenor

Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein Fluggast einen Ausgleichsanspruch wegen Annullierung hat, wenn sein Flug umgeleitet wurde und auf einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen landet, der nicht denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 22. April 2021, in dem Verfahren

FI,

RE

gegen

TUIfly GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra sowie des Richters D. Šváby (Berichterstatter) und der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 5, 7 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen FI und RE auf der einen und der TUIfly GmbH, einem Luftfahrtunternehmen, auf der anderen Seite über deren Weigerung, diesen Fluggästen, deren Flug zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Flughafen umgeleitet wurde, Ausgleichsleistungen zu zahlen.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

l) ‚Annullierung’ die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.”

Rz. 4

In Art. 5 („Annullierung”) Abs. 1 dieser Verordnung heißt es:

„(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,

iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.”

Rz. 5

Art. 7 („Ausgleichsanspruch”) dieser Verordnung sieht in Abs. 1 vor:

„Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

  1. 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
  2. 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
  3. 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.”

Rz. 6

Art. 8 („Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung”) dieser Verordnung bestimmt in Abs. 3:

„Befinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen und bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen an, so trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort.”

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

Rz. 7

FI und RE buchten bei dem Luftfahrtunternehmen TUIfly einen Flug von Gran Canaria (Spanien) nach ...

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