Entscheidungsstichwort (Thema)
Streithilfe
Beteiligte
Tenor
1. Der Europäische Datenschutzbeauftragte wird in der Rechtssache C-614/10 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Europäischen Kommission zugelassen.
2. Dem Europäischen Datenschutzbeauftragten wird eine Frist zur schriftlichen Begründung seiner Anträge gesetzt.
3. Dem Europäischen Datenschutzbeauftragten werden durch den Kanzler Abschriften aller Verfahrensschriftstücke übermittelt.
4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 22. Dezember 2010,
Europäische Kommission, vertreten durch B. Martenczuk und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER PRÄSIDENT DES GERICHTSHOFS
auf Vorschlag des Berichterstatters K. Lenaerts,
nach Anhörung des Generalanwalts J. Mazák
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31) verstoßen hat, dass sie nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, damit die in Österreich bestehende Rechtslage bezüglich der als Datenschutzkontrollstelle eingerichteten Datenschutzkommission das Kriterium der völligen Unabhängigkeit erfüllt.
Rz. 2
Mit Schriftsatz, der am 24. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat der Europäische Datenschutzbeauftragte (im Folgenden: EDSB) beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.
Rz. 3
Dieser Antrag ist auf der Grundlage des Art. 47 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. 2001, L 8, S. 1) gestellt worden.
Rz. 4
Art. 47 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung Nr. 45/2001 verleiht dem Europäischen Datenschutzbeauftragten innerhalb der Grenzen, die sich aus der ihm übertragenen Aufgabe ergeben, ein Recht zum Streitbeitritt in den beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Verfahren (Beschluss vom 17. März 2005, Parlament/Rat, C-317/04, Slg. 2005, I-2457, Randnr. 16).
Rz. 5
Mit der von der Kommission erhobenen Vertragsverletzungsklage wird die fehlerhafte Umsetzung von Art. 28 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 95/46 in österreichisches Recht geltend gemacht; diese Bestimmung sieht bezüglich der öffentlichen Stellen, die von den Mitgliedstaaten beauftragt wurden, die Anwendung der zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen, vor:
„Diese Stellen nehmen die ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahr.”
Rz. 6
Der EDSB ist die Stelle, die auf der Ebene der Europäischen Union den Kontrollstellen entspricht, die auf nationaler Ebene die Anwendung der Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu überwachen sollen (Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland, C-518/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 27). Nach Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 45/2001 übt der EDSB sein Amt in völliger Unabhängigkeit aus. In Abs. 2 dieses Artikels wird zur Erläuterung dieses Begriffs der Unabhängigkeit hinzugefügt, dass der EDSB in Ausübung seines Amtes niemanden um Weisung ersucht und keine Weisungen entgegennimmt.
Rz. 7
Angesichts dessen, dass Art. 44 der Verordnung Nr. 45/2001 und Art. 28 der Richtlinie 95/46 dasselbe allgemeine Konzept zugrunde liegt, sind beide Bestimmungen homogen auszulegen (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 28).
Rz. 8
Nach Art. 41 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 45/2001 besteht die Aufgabe des EDSB insbesondere darin, die Anwendung der Bestimmungen dieser Verordnung durchzusetzen und die Organe und Einrichtungen der Union und die betroffenen Personen in allen die Verarbeitung personenbezogener Daten betreffenden Angelegenheiten zu beraten.
Rz. 9
Unter diesen Umständen kann die Definition des Rechtsbegriffs „völlige Unabhängigkeit” in dem in der vorliegenden Rechtssache zu erlassenden Urteil von grundlegender Bedeutung für die Stellung des EDSB gegenüber den Organen und Einrichtungen der Union und damit für seine Fähigkeit sein, zum einen die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 45/2001 bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten durch ein Organ oder eine Einrichtung der Union durchzusetzen und zum anderen diese Organe und Einrichtungen unabhängig zu beraten.
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