Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Bereich der sozialen Sicherheit. Auslegung des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko. Leistung bei Arbeitslosigkeit. Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Versagung eines Anspruchs auf eine den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung erhöhende Alterszulage
Normenkette
Verfahrensordnung Art. 104 § 3
Beteiligte
Office national de l'emploi |
Verfahrensgang
Cour de Cassation (Belgien) |
Tenor
Artikel 41 Absatz 1 des am 27. April 1976 in Rabat unterzeichneten und vom Rat mit der Verordnung (EWG) Nr. 2211/78 vom 26. September 1978 im Namen der Gemeinschaft genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehrt, einem in seinem Hoheitsgebiet wohnenden Arbeitnehmer marokkanischer Staatsangehörigkeit den Anspruch auf eine Alterszulage, die den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung erhöht, allein mit der Begründung zu versagen, dass kein internationales Übereinkommen dieBerücksichtigung der Beschäftigungszeiten vorsehe, die der Betroffene in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt habe, während für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats sind, eine solche Voraussetzung nicht besteht.
Gründe
1.
Die Cour de cassation hat mit Urteil vom 6. November 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Januar 2002, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung des Artikels 41 des am 27. April 1976 in Rabat unterzeichneten und vom Rat mit der Verordnung (EWG) Nr. 2211/78 vom 26. September 1978 (ABl. L 264, S. 1) im Namen der Gemeinschaft genehmigten Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko (im Folgenden: Abkommen) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Office national de l'emploi belge (im Folgenden: ONEM) und dem marokkanischen Staatsangehörigen Mohamed Alami wegen der Weigerung, diesem eine Leistung bei Arbeitslosigkeit zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Das Abkommen
3.
Artikel 41 des Abkommens, der zu dessen Titel III (Zusammenarbeit im Bereich der Arbeitskräfte) gehört, bestimmt:
(1)
Vorbehaltlich der folgenden Absätze wird den Arbeitnehmern marokkanischer Staatsangehörigkeit und den mit ihnen zusammenlebenden Familienangehörigen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit eine Behandlung gewährt, die keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, in denen sie beschäftigt sind, bewirkt.
(2)
Für diese Arbeitnehmer werden die in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs-, Beschäftigungs- bzw. Aufenthaltszeiten bei den Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenrenten sowie der Krankheitsfürsorge für sie und ihre innerhalb der Gemeinschaft wohnenden Familienangehörigen zusammengerechnet.
(3)
Diese Arbeitnehmer erhalten die Familienzulagen für ihre innerhalb der Gemeinschaft wohnenden Familienangehörigen.
(4)
Diese Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, Alters- und Hinterbliebenenrenten und Renten bei Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Erwerbsunfähigkeit, wenn diese durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde, zu den gemäß den Rechtsvorschriften des Schuldnermitgliedstaats bzw. der Schuldnermitgliedstaaten geltenden Sätzen frei nach Marokko zu transferieren.
…
Die nationale Regelung
4.
Nach Artikel 126 der Königlichen Verordnung vom 25. November 1991 über Bestimmungen bei Arbeitslosigkeit (Moniteur belge vom 31. Dezember 1991, S. 29888, im Folgenden: Königliche Verordnung) wird der Basistagessatz der Arbeitslosenunterstützung im Sinne von Artikel 114 dieser Verordnung um eine Alterszulage erhöht, wenn der Arbeitslose bestimmte Voraussetzungen erfüllt.
5.
So muss der Betroffene u. a.
vollarbeitslos sein,
am letzten Tag des betreffenden Monats das 50. Lebensjahr erreicht haben und
eine zwanzigjährige Berufstätigkeit als Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 114 Absatz 4 der Königlichen Verordnung aufweisen.
6.
Artikel 70 Absatz 1 des Ministerialerlasses vom 26. November 1991 über Durchführungsmodalitäten der Bestimmungen bei Arbeitslosigkeit (Moniteur belge vom 25. Januar 1992, S. 1593) sieht vor:
Zur Durchführung des Artikels 114 Absatz 4 der Königlichen Verordnung sind unter Berufstätigkeit als Arbeitnehmer zu verstehen:
- die Arbeitstage gemäß Artikel 37 der Königlichen Verordnung …;
- die diesen gleichgestellten Tage gemäß Artikel 38 der Königlichen Verordnung mit Ausnahme der Tage der Vollarbeitslosigkeit. …
7.
Titel II (Arbeitslosenunterstützung) Kapitel II (Voraussetzungen für die Gewährung) Abschnitt 1 (Anwartschaft) Unterabschnitt 3 (Arbeitstage und diesen gleichgestellte Tage) der Königlichen Verordnung enthält die Artikel 37 und 38.
8.
Artikel 37 Absatz 2 der Königlichen Verordnung bestimmt:
Die im Ausland geleistete Arbeit wird berücksicht...