Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Außervertragliche Haftung. Wirtschafts- und Währungspolitik. Umstrukturierung der griechischen Staatsschuld. Obligatorischer Umtausch der von Privatgläubigern gehaltenen Schuldtitel. Stellungnahme der Europäischen Zentralbank (EZB). Grundsatz pacta sunt servanda. Teilweise offensichtlich unzulässiges und teilweise offensichtlich unbegründetes Rechtsmittel
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 181; AEUV Art. 63 Abs. 1, Art. 124; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 17 Abs. 1, Art. 47 Abs. 2, Art. 52 Abs. 1
Beteiligte
Vereinigte Raiffeisenbanken Gräfenberg-Forchheim-Eschenau-Heroldsberg eG |
Europäische Zentralbank (EZB) |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird als teilweise offensichtlich unzulässig und teilweise offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
2. Die EMB Consulting SE trägt ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. Juli 2019,
EMB Consulting SE mit Sitz in Mühltal (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte O. Hoepner und D. Unrau,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Frank Steinhoff, wohnhaft in Hamburg (Deutschland),
Ewald Filbry, wohnhaft in Dortmund (Deutschland),
Vereinigte Raiffeisenbanken Gräfenberg-Forchheim-Eschenau-Heroldsberg eG mit Sitz in Gräfenberg (Deutschland),
Werner Bäcker, wohnhaft in Rodgau (Deutschland),
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte O. Hoepner und D. Unrau,
Kläger im ersten Rechtszug,
Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch O. Heinz und G. Várhelyi als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt H.-G. Kamann,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. G. Xuereb sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter) und T. von Danwitz,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die EMB Consulting SE, das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 23. Mai 2019, Steinhoff u. a./EZB (T-107/17, EU:T:2019:353) (im Folgenden: angefochtenes Urteil), abzuändern, mit dem das Gericht ihre Klage auf Ersatz des Schadens abgewiesen hat, der ihr dadurch entstanden sein soll, dass die Europäische Zentralbank (EZB) es in ihrer Stellungnahme vom 17. Februar 2012 (CON/2012/12) (im Folgenden: streitige Stellungnahme) zum Entwurf des Nomós 4050 – Kanónes tropopoiíseos títlon, ekdóseos í engyíseos tou Ellinikoú Dimosíou me symfonía ton Omologioúchon (Gesetz Nr. 4050/2012 über Regeln für die Änderung von vom griechischen Staat begebenen oder garantierten Anleihen mit der Zustimmung ihrer Inhaber vom 23. Februar 2012) (FEK A' 36) (im Folgenden: Gesetzentwurf Nr. 4050/2012), versäumt habe, den griechischen Staat auf die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Umstrukturierung der griechischen Staatsschuld durch den zwangsweisen Tausch von Schuldtiteln aufmerksam zu machen.
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
Rz. 2
Mit Klageschrift, die am 16. Februar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Verurteilung der EZB zur Zahlung von 750 460 Euro als Ersatz des Schadens, der ihr durch die streitige Stellungnahme entstanden sein soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz. Sie stützte ihre Klage auf vier Klagegründe.
Rz. 3
Das Gericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil in vollem Umfang abgewiesen.
Rz. 4
Insbesondere hat das Gericht in Bezug auf den ersten Klagegrund in Rn. 82 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die EZB nicht verpflichtet gewesen sei, sich im Rahmen ihrer beratenden Zuständigkeit dazu zu äußern, ob die Hellenische Republik gegenüber den Inhabern staatlicher Schuldtitel den Grundsatz pacta sunt servanda einhalte.
Rz. 5
Zum zweiten Klagegrund hat das Gericht in den Rn. 105 bis 116 des angefochtenen Urteils Folgendes festgestellt: Auch wenn der Erlass des Gesetzes Nr. 4050/2012 zu einem Eingriff in das Eigentumsrecht der Rechtsmittelführerin geführt habe, entspreche dieser Eingriff dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen, zu denen die Sicherstellung der Stabilität des Bankensystems des Euro-Währungsgebiets in seiner Gesamtheit gehöre. Insbesondere habe es sich angesichts der außergewöhnlichen Umstände, denen sich die Hellenische Republik gegenübergesehen habe, nicht um einen unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff gehandelt. Bei diesen Umständen handele es sich um die außerordentliche Staatsschuldenkrise und das Risiko, dass ohne Umstrukturierung der Schulden ein zumindest selektiver, kurzfristiger Zahlungsausfall des griechischen Staates eintrete.
Rz. 6
Zum dritten Klagegrund hat das Gericht in den...