Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verfahrensordnung. Luftverkehr. Große Verspätung eines Fluges. Anspruch der Fluggäste auf Ausgleichszahlungen. Voraussetzungen für die Befreiung des Luftfahrtunternehmens von seiner Ausgleichspflicht. Begriff ‚außergewöhnliche Umstände’. Flugzeug, das bei einem vorhergehenden Flug durch ein Treppenfahrzeug beschädigt wurde

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 99

 

Beteiligte

Siewert

Sandy Siewert

Emma Siewert

Nele Siewert

Condor Flugdienst GmbH

 

Tenor

Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass ein Vorkommnis wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kollision eines Treppenfahrzeugs eines Flughafens mit einem Flugzeug nicht als „außergewöhnlicher Umstand” qualifiziert werden kann, der das Luftfahrtunternehmen von seiner bei großer Verspätung eines mit diesem Flugzeug durchgeführten Fluges bestehenden Ausgleichspflicht gegenüber den Fluggästen befreit.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Rüsselsheim (Deutschland) mit Entscheidung vom 12. August 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 18. August 2014, in dem Verfahren

Sandy Siewert,

Emma Siewert,

Nele Siewert

gegen

Condor Flugdienst GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas, E. Juhász und D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Luftfahrtunternehmen Condor Flugdienst GmbH (im Folgenden: Condor) einerseits und Frau S. Siewert, Frau E. Siewert und Frau N. Siewert andererseits über die Weigerung von Condor, ihnen einen Ausgleich wegen der bei ihrem Flug entstandenen großen Verspätung zu leisten.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 14 und 15 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:

„(14) Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.

(15) Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.”

Rz. 4

Art. 5 dieser Verordnung bestimmt:

„(1) Bei Annullierung eines Fluges [wird] den betroffenen Fluggästen

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt …

(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

…”

Rz. 5

Art. 7 („Ausgleichsanspruch”) der Verordnung sieht in Abs. 1 vor:

„Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

  1. 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
  2. 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
  3. 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flü...

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