Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaft. Gemeinsame Marktorganisation. Zucker. Natur und Reichweite der einem Zucker erzeugenden Unternehmen zugeteilten Übergangsquoten. Möglichkeit für ein Unternehmen, das eine Umstrukturierungsbeihilfe für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 erhalten hat, seine ihm zugeteilte Übergangsquote zu nutzen. Berechnung des wiedereinzuziehenden Betrags und der anwendbaren Geldbuße bei Nichterfüllung der Verpflichtungen im Rahmen des Umstrukturierungsplans. Grundsatz ne bis in idem
Beteiligte
Bureau d'intervention et de restitution belge |
Tenor
1. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 mit einer befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie in der Europäischen Gemeinschaft und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik ist dahin auszulegen, dass der darin aufgeführte Begriff „Quote” auch die Übergangsquoten nach Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 493/2006 der Kommission vom 27. März 2006 mit Übergangsmaßnahmen für die Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1265/2001 und (EG) Nr. 314/2002 umfasst.
2. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006 ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung eines Unternehmens, eine ihm für die Erzeugung von Zucker, Isoglucose und Inulinsirup zugeteilte Quote, die es einer oder mehreren Fabriken zugewiesen hat, wie sie in dieser Bestimmung bezeichnet ist, aufzugeben, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zu dem Zeitpunkt wirksam wird, zu dem das Unternehmen, das diese Verpflichtung eingeht, unter Berücksichtigung der Informationen, die ihm übermittelt oder im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, bei Anwendung üblicher Sorgfalt erkennen kann, dass die zuständigen Stellen die in Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen für die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe als erfüllt ansehen.
3. Die Art. 26 Abs. 1 und 27 der Verordnung (EG) Nr. 968/2006 der Kommission vom 27. Juni 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 320/2006 sowie Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker sind dahin auszulegen, dass eine Erzeugung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, wenn ein Unternehmen damit seiner Verpflichtung zuwiderhandelt, eine ihm für die Erzeugung von Zucker, Isoglucose und Inulinsirup zugeteilte und von ihm einer oder mehreren seiner Fabriken zugewiesene Quote, wie sie in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006 bezeichnet ist, aufzugeben, zur Wiedereinziehung der Beihilfe, Verhängung einer Sanktion und Erhebung des Überschussbetrags, wie sie in diesen Bestimmungen jeweils geregelt sind, führen kann. Hinsichtlich der Sanktion nach Art. 27 Abs. 3 der Verordnung Nr. 968/2006 ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob sich der Verstoß unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls als vorsätzlich qualifizieren lässt oder ob er auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist. Die Grundsätze ne bis in idem und der Verhältnismäßigkeit sowie das Diskriminierungsverbot sind dahin auszulegen, dass sie einer kumulierenden Anwendung dieser Maßnahmen nicht entgegenstehen.
4. Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 968/2006 ist dahin auszulegen, dass in dem unterstellten Fall, dass, wenn ein Unternehmen unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zwar seine Verpflichtung, die Produktionsanlagen der betreffenden Fabriken teilweise abzubauen, nicht aber seine Verpflichtung zur Aufgabe einer ihm für die Erzeugung von Zucker, Isoglucose und Inulinsirup zugeteilten Quote, die es einer oder mehreren Fabriken zugewiesen hat, wie sie in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006 bezeichnet ist, erfüllt hat, der wiedereinzuziehende Beihilfebetrag dem Teil der Beihilfe entspricht, der auf die nicht erfüllte Verpflichtung entfällt. Dieser Teil der Beihilfe ist anhand der in Art. 3 Abs. 5 der Verordnung Nr. 320/2006 festgelegten Beträge zu bestimmen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal de première instance de Bruxelles (Belgien) mit Entscheidung vom 5. März 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 29. März 2010, in dem Verfahren
Bureau d'intervention et de restitution belge
gegen
Beneo-Orafti SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, des Richters K. Schiemann, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūnas
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Beneo-Orafti SA, vertreten durch D. De Keuster, advocaat, und C. Pitschas, Rechtsanwalt,
- der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halle...