Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Öffentlicher Dienst. Ruhegehalt. Statut der Beamten der Europäischen Union. Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung. Überlebender Ehegatte eines ehemaligen Beamten, der ein Ruhegehalt bezog. Nach der Zuerkennung von Invalidengeld für diesen Beamten geschlossene Ehe. Voraussetzung einer Mindestehedauer von fünf Jahren zum Zeitpunkt des Todes des Beamten. Vor der Zuerkennung von Invalidengeld für diesen Beamten geschlossene Ehe. Keine Voraussetzung einer Mindestehedauer. Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 20 des Anhangs VIII. Grundsatz der Gleichbehandlung. Diskriminierungsverbot. Keine willkürliche oder im Hinblick auf das vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel offensichtlich unangemessene Unterscheidung
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 182, 20 des Anhangs VIII; Verfahrensordnung des Gerichtshofs Anhangs VIII Art. 19; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 20, 21 Abs. 1, Art. 52 Abs. 1
Beteiligte
Rat der Europäischen Union |
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 10. März 2021, FI/Kommission (T-694/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:122), wird aufgehoben.
2. Die von FI in der Rechtssache T-694/19 erhobene Klage wird abgewiesen.
3. FI trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten, die dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission in der Rechtssache T-694/19 sowie in den Rechtssachen C-313/21 P und C-314/21 P entstanden sind.
4. Das Europäische Parlament trägt seine eigenen Kosten in der Rechtssache T-694/19.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 19. Mai 2021,
Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Alver und M. Bauer als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführer in der Rechtssache C-313/21 P,
andere Parteien des Verfahrens:
FI,
Kläger im ersten Rechtszug,
Europäische Kommission, vertreten durch T. S. Bohr und B. Mongin als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Europäisches Parlament,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
und
Europäische Kommission, vertreten durch T. S. Bohr und B. Mongin als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C-314/21 P,
andere Parteien des Verfahrens:
FI,
Kläger im ersten Rechtszug,
Europäisches Parlament,
Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Alver und M. Bauer als Bevollmächtigte,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter N. Piçarra und N. Jääskinen,
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung der Parteien und des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 182 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihren Rechtsmitteln begehren der Rat der Europäischen Union (C-313/21 P) und die Europäische Kommission (C-314/21 P) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 10. März 2021, FI/Kommission (T-694/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:122, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Entscheidungen der Kommission vom 8. März 2019 und vom 1. April 2019, den Antrag von FI auf Gewährung von Hinterbliebenenversorgung abzulehnen (im Folgenden: streitige Entscheidungen), aufgehoben hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
In Art. 1d des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) heißt es:
„(1) Bei der Anwendung dieses Statuts ist jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder einer sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verboten.
Für die Anwendung des Statuts werden nichteheliche Partnerschaften wie Ehen behandelt, sofern die Voraussetzungen nach Anhang VII Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c) erfüllt sind.
(2) Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben, die bei der Umsetzung aller Aspekte des Statuts als entscheidender Faktor zu berücksichtigen ist, hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Organe der Europäischen Union nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.
…
(5) Führt eine unter das Statut fallende Person, die sich für benachteiligt hält, weil ihr gegenüber der oben ausgeführte Grundsatz der Gleichbehandlung nicht eingehalten wurde, Tatsachen an, die eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung vermuten lassen, obliegt es dem Organ, nachzuweisen, dass der Gleichbehan...