Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. „Euratom”. Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union. Wiedereinziehung einer zu Unrecht gewährten Ausfuhrerstattung. Zu Unrecht freigegebener Sicherheitsbetrag. Geschuldete Zinsen. Verjährungsfrist. Fristbeginn. Unterbrechung der Frist. Absolute Höchstgrenze. Längere Frist. Anwendbarkeit

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 2988/95 Art. 3; Verordnung (EWG) Nr. 3002/92 Art. 5a; Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 Art. 11

 

Beteiligte

Glencore Céréales France

Glencore Céréales France

Établissement national des produits de l'agriculture et de la mer (FranceAgriMer)

 

Tenor

1. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Zinsansprüchen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen gilt, die nach Art. 11 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der durch die Verordnung (EG) Nr. 495/97 der Kommission vom 18. März 1997 geänderten Fassung und nach Art. 5a der Verordnung (EWG) Nr. 3002/92 der Kommission vom 16. Oktober 1992 über gemeinsame Durchführungsbestimmungen für die Überwachung der Verwendung und/oder Bestimmung von Erzeugnissen aus den Beständen der Interventionsstellen in der durch die Verordnung (EG) Nr. 770/96 der Kommission vom 26. April 1996 geänderten Fassung geschuldet sind.

2. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Zinsen wie die im Ausgangsverfahren fraglichen schuldet, keine „andauernde oder wiederholte Unregelmäßigkeit” im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Hinsichtlich dieser Zinsansprüche ist davon auszugehen, dass sie auf dieselbe Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 zurückzuführen sind wie die, die zur Wiedereinziehung der zu Unrecht erhaltenen Beihilfen und Beträge führt, aus denen sich die Hauptforderungen zusammensetzen.

3. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass im Fall von Verfolgungshandlungen, die zum Erlass verwaltungsrechtlicher Maßnahmen zur Beitreibung von Zinsforderungen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen führen, die in dieser Bestimmung vorgesehene Verjährungsfrist zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem die Unregelmäßigkeit begangen wurde, die zur Wiedereinziehung der zu Unrecht erhaltenen und der Zinsberechnung zugrunde liegenden Beihilfen und Beträge Anlass gibt, d. h. zu dem Zeitpunkt, zu dem alle Tatbestandsmerkmale dieser Unregelmäßigkeit erfüllt sind, was, je nachdem was später eingetreten ist, entweder der Zeitpunkt der Handlung oder Unterlassung oder aber der Zeitpunkt des Schadenseintritts sein kann.

4. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass im Fall von Verfolgungshandlungen, die zum Erlass verwaltungsrechtlicher Maßnahmen zur Beitreibung von Zinsen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen führen, die Verjährung mit Ablauf der in dieser Bestimmung vorgesehenen Frist eintritt, wenn die zuständige Behörde innerhalb dieser Frist zwar die Rückerstattung der vom betreffenden Wirtschaftsteilnehmer zu Unrecht erhaltenen Beihilfen oder Beträge verlangt hat, jedoch keine Entscheidung hinsichtlich dieser Zinsen getroffen hat.

5. Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 ist dahin auszulegen, dass eine im innerstaatlichen Recht vorgesehene Verjährungsfrist, die länger als die in Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehene Verjährungsfrist ist, in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen für die Beitreibung von Zinsen zur Anwendung kommen kann, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Frist entstanden sind und nach der letzteren Bestimmung noch nicht verjährt sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal administratif de Melun (Verwaltungsgericht Melun, Frankreich) mit Entscheidung vom 5. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 11. November 2015, in dem Verfahren

Glencore Céréales France

gegen

Établissement national des produits de l'agriculture et de la mer (FranceAgriMer)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Juhász und C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Glencore Céréales France, vertreten durch F. Citron und S. Le Roy, avocats,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, S. Ghiandoni und A. Daly als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission,...

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