Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Schutz der finanziellen Interessen der Union. Verfolgung von Unregelmäßigkeiten. Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL). Wiedereinziehung rechtswidrig erhaltener Ausfuhrerstattungen. Verjährungsfrist. Anwendung einer längeren nationalen Verjährungsfrist. Verjährungsfrist nach allgemeinem Recht. Verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 2988/95 Art. 3
Beteiligte
Instituto de Financiamento da Agricultura e Pescas IP (IFAP) |
Tenor
1. Art. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass er auf Verfolgungsmaßnahmen anwendbar ist, die von den nationalen Behörden gegen Empfänger von Unionsbeihilfen eingeleitet werden, nachdem von der für die Zahlung von Ausfuhrerstattungen im Rahmen des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) zuständigen nationalen Stelle Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden.
2. Die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 genannte Verjährungsfrist gilt nicht nur für die Verfolgung von Unregelmäßigkeiten, die zur Verhängung von verwaltungsrechtlichen Sanktionen im Sinne von Art. 5 dieser Verordnung führen, sondern auch für Verfolgungsmaßnahmen, die zum Ergreifen von verwaltungsrechtlichen Maßnahmen im Sinne von Art. 4 der Verordnung führen. Während Art. 3 Abs. 3 der Verordnung den Mitgliedstaaten erlaubt, längere Verjährungsfristen als die in Abs. 1 Unterabs. 1 dieses Artikels vorgesehenen Fristen von vier oder drei Jahren anzuwenden, die sich aus Bestimmungen des allgemeinen Rechts ergeben können, die zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung gegolten haben, geht die Anwendung einer Verjährungsfrist von 20 Jahren über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels, die finanziellen Interessen der Union zu schützen, erforderlich ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) mit Entscheidung vom 17. April 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juni 2013, in dem Verfahren
Cruz & Companhia Lda
gegen
Instituto de Financiamento da Agricultura e Pescas IP (IFAP)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Cruz & Companhia Lda, vertreten durch P. Sousa Machado und F. Duarte Geada, advogados,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und M. Moreno als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou und P. Guerra e Andrade als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 bis 5 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Cruz & Companhia Lda (im Folgenden: Cruz & Companhia) und dem Instituto de Financiamento da Agricultura e Pescas IP (Institut für die Finanzierung der Landwirtschaft und der Fischerei, im Folgenden: IFAP) über die Vollstreckung einer Fiskalschuld betreffend die Einziehung von Ausfuhrerstattungen für Wein, die von Cruz & Companhia im Wirtschaftsjahr 1995 zu Unrecht bezogen wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 2988/95
Rz. 3
Der dritte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2988/95 lautet:
„Die Einzelheiten dieser dezentralen Verwaltung und der Kontrollsysteme werden in ausführlichen Vorschriften geregelt, die sich je nach Bereich der Gemeinschaftspolitik unterscheiden. Es ist jedoch wichtig, in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der [Union] zu bekämpfen.›
Rz. 4
Im fünften Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es, dass „[d]ie Verhaltensweisen, die Unregelmäßigkeiten darstellen, sowie die verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und die entsprechenden Sanktionen … im Einklang mit dieser Verordnung in sektorbezogenen Regelungen vorgesehen [sind]”.
Rz. 5
Art. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 lautet:
„(1) Zum Schutz der finanziellen Interessen der [Union] wird eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das [Unions]recht getroffen.
(2) Der Tatbestand der Unregelmäßigkeit ist bei jedem Verstoß gegen eine [Unions]bestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen ...