Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Intervention eines privatrechtlich organisierten Bankenkonsortiums zugunsten eines seiner Mitglieder. Genehmigung der Intervention durch die Zentralbank des Mitgliedstaats. Begriff der staatlichen Beihilfe. Zurechenbarkeit an den Staat. Staatliche Mittel. Indizien, die den Schluss auf die Zurechenbarkeit einer Maßnahme zulassen. Verfälschung der Sach- und Rechtslage. Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird
Beteiligte
Banca Popolare di Bari SCpA |
Fondo interbancario di tutela dei depositi |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 29. Mai 2019,
Europäische Kommission, vertreten durch P. Stancanelli, L. Flynn, A. Bouchagiar und D. Recchia als Bevollmächtigte,
Klägerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili und S. Fiorentino, avvocati dello Stato,
Banca Popolare di Bari SCpA, vormals Tercas-Cassa di risparmio della provincia di Teramo SpA (Banca Tercas SpA), mit Sitz in Teramo (Italien), Prozessbevollmächtigte: zunächst A. Santa Maria, M. Crisostomo, E. Gambaro und F. Mazzocchi, avvocati, dann A. Santa Maria, M. Crisostomo und E. Gambaro, avvocati,
Fondo interbancario di tutela dei depositi mit Sitz in Rom (Italien), Prozessbevollmächtigte: M. Siragusa, G. Scassellati Sforzolini, G. Faella und A. Comino, avvocati,
Kläger im ersten Rechtszug,
Banca d'Italia mit Sitz in Rom, Prozessbevollmächtigte: M. Perassi, M. Todino, L. Sciotto und O. Capolino, avvocati,
Streithelferin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, A. Kumin und N. Wahl, der Richter E. Juhász, S. Rodin und F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos und N. Jääskinen,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Oktober 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 19. März 2019, Italien u. a./Kommission (T-98/16, T-196/16 und T-198/16, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2019:167), mit dem das Gericht den Beschluss (EU) 2016/1208 der Kommission vom 23. Dezember 2015 über die staatliche Beihilfe Italiens zugunsten der Banca Tercas (SA.39451 [2015/C] [ex 2015/NN]) (ABl. 2016, L 203, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Das Decreto legislativo n. 385, e successive modifiche e integrazioni – Testo unico delle leggi in materia bancaria e creditizia (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 385 mit nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen – kodifizierte Fassung der Gesetze über das Bank- und Kreditwesen) vom 1. September 1993 (GURI Nr. 230 vom 30. September 1993 und Supplemento Ordinario zur GURI Nr. 92) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: TUB) überträgt der Banca d'Italia (Bank von Italien) die Funktion der Aufsichtsbehörde für den Bankensektor und gibt ihr die Ziele vor, eine solide und umsichtige Verwaltung der beaufsichtigten Institute, die allgemeine Stabilität, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Finanzsystems sowie die Einhaltung der Vorschriften auf dem Gebiet des Kreditwesens zu gewährleisten.
Rz. 3
Nach Art. 96 Abs. 1 TUB müssen italienische Banken einem in Italien errichteten und anerkannten Einlagensicherungssystem angeschlossen sein. Genossenschaftsbanken schließen sich dem Einlagensicherungssystem an, das in ihrem Netz eingerichtet worden ist.
Rz. 4
Nach Art. 96a Abs. 1 TUB leisten die Einlagensicherungssysteme im Falle der verwaltungsbehördlichen Zwangsliquidation von in Italien zugelassenen Banken Rückzahlungen, wobei diese Systeme jedoch andere Fälle und Formen der Intervention vorsehen können. Nach Art. 96b Abs. 1 Buchst. d TUB genehmigt die Bank von Italien u. a. Interventionen der Einlagensicherungssysteme „unter Berücksichtigung des Schutzes der Einleger und der Stabilität des Bankensystems”.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 5
Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 3 bis 32 des angefochtenen Urteils dargestellt. Für die Zwecke des vorliegenden Urteils lässt sie sich wie folgt zusammenfassen.
Beteiligte Unternehmen
Rz. 6
Tercas-Cassa di risparmio della provincia di Teramo SpA (Banca Tercas SpA) (im Folgenden: Tercas) ist eine Bank mit privatem Kapital, deren Aktivitäten haup...