Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Verbrauchervertrag. Zusammenhang mit der Richtlinie 2008/48/EG. Verbraucherkreditvertrag. Begriffe ‚Verbraucher’ und ‚Geschäfte, auf die die Richtlinie Anwendung findet’. Höchstbetrag des Kredits. Unerheblichkeit in Bezug auf Art. 15 des Lugano-II-Übereinkommens
Normenkette
Lugano-II Art. 15; Richtlinie 2008/48/EG Art. 2-3
Beteiligte
Pillar Securitisation Sàrl |
Tenor
Art. 15 des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das im Namen der Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 genehmigt wurde, ist dahin auszulegen, dass für die Bestimmung, ob ein Kreditvertrag ein Kreditvertrag ist, der von einem Verbraucher im Sinne dieses Art. 15 geschlossen wurde, nicht zu prüfen ist, ob er in dem Sinne in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates fällt, dass der Gesamtbetrag des in Rede stehenden Kredits die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie festgelegte Obergrenze nicht überschreitet, und dass es insoweit nicht von Bedeutung ist, dass die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie keine höhere Obergrenze vorsehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Luxemburg) mit Entscheidung vom 7. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Dezember 2017, in dem Verfahren
Pillar Securitisation Sàrl
gegen
Hildur Arnadottir
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, J. Malenovský und C. G. Fernlund (Berichterstatter) sowie der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Pillar Securitisation Sàrl, vertreten durch A. Moro, avocat,
- von Frau Arnadottir, vertreten durch M. Mailliet, avocat,
- der luxemburgischen Regierung, vertreten durch D. Holderer als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und P. Lacerda als Bevollmächtigte,
- der schweizerischen Regierung, vertreten durch M. Schöll als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Januar 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das im Namen der Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 genehmigt wurde (ABl. 2009, L 147, S. 1, im Folgenden: Lugano-II-Übereinkommen).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Pillar Securitisation Sàrl und Frau Hildur Arnadottir wegen eines Antrags auf Rückzahlung eines Kredits.
Rechtlicher Rahmen
Lugano-II-Übereinkommen
Rz. 3
In Titel II („Zuständigkeit”) Abschnitt 4 („Zuständigkeit bei Verbrauchersachen”) Art. 15 des Lugano-II-Übereinkommens heißt es:
„(1) Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,
- wenn es sich um den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung handelt,
- wenn es sich um ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder ein anderes Kreditgeschäft handelt, das zur Finanzierung eines Kaufs derartiger Sachen bestimmt ist, oder
- in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
…
(3) Dieser Abschnitt ist nicht auf Beförderungsverträge mit Ausnahme von Reiseverträgen, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen, anzuwenden.”
Rz. 4
Art. 16 Abs. 2 dieses Übereinkommens lautet:
„Die Klage des anderen Vertragspartners gegen den Verbraucher kann nur vor den Gerichten des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet ...