Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Geltungsbereich. Nichtlebensmittel, die mit Lebensmitteln verwechselt werden können. Begriff. Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals. Vermutung der Gefährlichkeit. Fehlen. Beweis

 

Normenkette

Richtlinie 87/357/EWG Art. 1 Abs. 2

 

Beteiligte

Get Fresh Cosmetics

Get Fresh Cosmetics Limited

Valstybinė vartotojų teisių apsaugos tarnyba

 

Tenor

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 87/357/EWG des Rates vom 25. Juni 1987 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Erzeugnisse, deren tatsächliche Beschaffenheit nicht erkennbar ist und die die Gesundheit oder die Sicherheit der Verbraucher gefährden ist dahin auszulegen, dass es nicht erforderlich ist, durch objektive und belegte Daten nachzuweisen, dass es mit Risiken wie der Gefahr des Erstickens, der Vergiftung, der Perforation oder des Verschlusses des Verdauungskanals verbunden sein kann, wenn Erzeugnisse zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden, die zwar keine Lebensmittel sind, bei denen jedoch aufgrund ihrer Form, ihres Geruchs, ihrer Farbe, ihres Aussehens, ihrer Aufmachung, ihrer Etikettierung, ihres Volumens oder ihrer Größe vorhersehbar ist, dass sie von den Verbrauchern, insbesondere von Kindern, mit Lebensmitteln verwechselt werden und deshalb zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden. Die zuständigen nationalen Behörden müssen jedoch im Einzelfall prüfen, ob ein Erzeugnis die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt, und begründen, warum dies der Fall ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen) mit Entscheidung vom 24. Februar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Februar 2021, in dem Verfahren

Get Fresh Cosmetics Limited

gegen

Valstybinė vartotojų teisių apsaugos tarnyba,

Beteiligter:

V. U.,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter J. Passer, F. Biltgen und N. Wahl (Berichterstatter) sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Get Fresh Cosmetics Limited, vertreten durch M. Inta, Advokatas,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch K. Dieninis und V. Kazlauskaitė-Švenčionienė als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch V. Karra und O. Patsopoulou als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Goddin, E. Sanfrutos Cano und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 der Richtlinie 87/357/EWG des Rates vom 25. Juni 1987 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Erzeugnisse, deren tatsächliche Beschaffenheit nicht erkennbar ist und die die Gesundheit oder die Sicherheit der Verbraucher gefährden (ABl. 1987, L 192, S. 49).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Get Fresh Cosmetics Limited und dem Valstybinė vartotojų teisių apsaugos tarnyba (Nationales Amt für Verbraucherschutz, Litauen) (im Folgenden: Verbraucherschutzamt) wegen eines Get Fresh Cosmetics auferlegten Verbots, bestimmte kosmetische Mittel in Verkehr zu bringen.

Rechtlicher Rahmen

Europäisches Recht

Richtlinie 87/357

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 1 bis 7 der Richtlinie 87/357 heißt es:

„In mehreren Mitgliedstaaten bestehen Rechts- und Verwaltungsvorschriften für bestimmte Erzeugnisse, deren tatsächliche Beschaffenheit nicht erkennbar ist und die die Sicherheit oder die Gesundheit der Verbraucher gefährden. Sie sind jedoch von ihrem Inhalt, ihrer Tragweite und ihrem Anwendungsbereich her unterschiedlich. Insbesondere betreffen die genannten Vorschriften in einigen Mitgliedstaaten alle Erzeugnisse, die wie Lebensmittel aussehen, jedoch keine Lebensmittel sind, und in anderen Mitgliedstaaten betreffen sie nur die Erzeugnisse, die mit Lebensmitteln – insbesondere Süßigkeiten – verwechselt werden können.

Diese Situation führt zu erheblichen Behinderungen des freien Warenverkehrs und zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Gemeinschaft, ohne dass ein wirksamer Schutz der Verbraucher, insbesondere von Kindern, gewährleistet wird.

Diese Hindernisse beim Errichten und dem Funktionieren des Gemeinsamen Marktes sind zu beseitigen; gemäß den Entschließungen des Rates vom 14. April 1975 und vom 19. Mai 1981 über das erste [ABl. 1975, C 92, S. 1] und zweite [ABl. 1981, C 133, S. 1] Programm der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher sowie gemäß der Entschließung des Rates vom 23. Juni 1986 über neue Impulse auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes [A...

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