Entscheidungsstichwort (Thema)
Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen. Geltungsbereich. Konkurse
Beteiligte
SCT Industri AB i likvidation |
Tenor
Die Ausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass sie eine Entscheidung eines Gerichts in einem Mitgliedstaat A über die Eintragung als Inhaber von Anteilen einer im Mitgliedstaat A ansässigen Gesellschaft erfasst, wonach die Übertragung dieser Anteile deshalb als unwirksam betrachtet werden muss, weil das Gericht des Mitgliedstaats A die Befugnisse eines Konkursverwalters eines Mitgliedstaats B im Rahmen eines im Mitgliedstaat B durchgeführten und beendeten Konkursverfahrens nicht anerkennt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Högsta domstol (Schweden) mit Entscheidung vom 4. März 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 12. März 2008, in dem Verfahren
SCT Industri AB i likvidation
gegen
Alpenblume AB
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der SCT Industri AB i likvidation, vertreten durch F. Lüning, jur. kand.,
- der Alpenblume AB, vertreten durch L.-O. Svensson, advokat,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch J. López-Medel Bascones als Bevollmächtigten,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und D. Pires als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth als Bevollmächtigten im Beistand von A. Henshaw, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und P. Dejmek als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den beiden schwedischen Gesellschaften SCT Industri AB (im Folgenden: SCT Industri) und Alpenblume AB (im Folgenden: Alpenblume) wegen einer Klage auf Rückübertragung der Anteile, die SCT Industri an einer Gesellschaft österreichischen Rechts gehalten und an Alpenblume verkauft hatte, im Anschluss an das Urteil eines österreichischen Gerichts, mit dem dieses die Unwirksamkeit des Erwerbs der betreffenden Gesellschaftsanteile durch Alpenblume festgestellt hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Der zweite Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:
„Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.”
Rz. 4
Der siebte Erwägungsgrund der Verordnung lautet: „Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivil- und Handelsrechts erstrecken.”
Rz. 5
Der 15. Erwägungsgrund der Verordnung bestimmt:
„Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. Es sollte eine klare und wirksame Regelung zur Klärung von Fragen der Rechtshängigkeit und der im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie zur Verhinderung von Problemen vorgesehen werden, die sich aus der einzelstaatlich unterschiedlichen Festlegung des Zeitpunkts ergeben, von dem an ein Verfahren als rechtshängig gilt. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte dieser Zeitpunkt autonom festgelegt werden.”
Rz. 6
Im 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:
„Um die Kontinuität zwischen dem Brüsseler Übereinkommen [vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen...