Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Art. 87 EG. Von den Mitgliedstaaten gewährte Beihilfen. Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Deutschen Post AG. Art. 86 EG. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Ausgleich der Mehrkosten einer nicht kostendeckenden Verkaufsstrategie im Haus-zu-Haus-Paketdienst. Bestehen eines Vorteils. Prüfungsmethode der Kommission. Beweislast. Art. 230 EG. Umfang der gerichtlichen Nachprüfung durch das Gericht
Beteiligte
Commission / Deutsche Post |
Deutsche Post AG mit Sitz in Bonn (Deutschland) |
Tenor
1. Das Rechtsmittel und die Anschlussrechtsmittel werden zurückgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Deutschen Post AG im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel.
3. Der Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste e. V. und die UPS Europe SA tragen ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel.
4. Die Deutsche Post AG, der Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste e. V. und die UPS Europe SA tragen ihre eigenen Kosten im Zusammenhang mit den Anschlussrechtsmitteln.
5. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 15. September 2008,
Europäische Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz, J. Flett und B. Martenczuk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Deutsche Post AG mit Sitz in Bonn (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Sedemund,
Klägerin im ersten Rechtszug,
Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste e. V. mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Wojtek,
UPS Europe SA mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigter: E. Henny, advocaat,
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und B. Klein als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelfer im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: R. Grass,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. März 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 1. Juli 2008, Deutsche Post/Kommission (T-266/02, Slg. 2008, II-1233, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Entscheidung 2002/753/EG der Kommission vom 19. Juni 2002 über Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zugunsten der Deutschen Post AG (ABl. L 247, S. 27, im Folgenden: streitige Entscheidung) für nichtig erklärt hat.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Wie sich aus den Angaben im angefochtenen Urteil zum nationalen Recht ergibt, wurde nach § 1 Abs. 2 des Postverfassungsgesetzes vom 8. Juni 1989 (PostVerfG, BGBl. 1989 I S. 1026) die Deutsche Bundespost in drei verschiedene rechtliche Einheiten aufgespalten: die Deutsche Bundespost Postdienst (im Folgenden: DB Postdienst), die Deutsche Bundespost Telekom (im Folgenden: DB Telekom) und die Deutsche Bundespost Postbank. Da nach § 65 Abs. 2 PostVerfG die als Unternehmen geführten Einheiten verpflichtet waren, die von der Deutschen Bundespost angebotenen Dienstleistungen weiterzuführen, übernahm die DB Postdienst die Tätigkeiten der Deutschen Bundespost im Postsektor.
Rz. 3
Gemäß § 37 Abs. 3 PostVerfG war zwischen diesen drei Unternehmen ein Finanzausgleich vorzunehmen, wenn eines der Unternehmen nicht in der Lage war, seine Aufwendungen aus eigenen Erträgen zu decken. Zudem blieb die Deutsche Bundespost nach § 63 Abs. 1 PostVerfG trotz ihrer Aufspaltung verpflichtet, dem Staat bis zum Jahr 1995 eine Ablieferung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes ihrer Betriebseinnahmen zu zahlen.
Rz. 4
Nach § 1 Abs. 1 der Postdienst-Pflichtleistungsverordnung vom 12. Januar 1994 (PPflLV, BGBl. 1994 I S. 86) hatte die DB Postdienst ihre „Pflichtleistungen” in der Fläche nach dem Grundsatz der Tarifeinheit zu erbringen. Was insbesondere die Beförderung von Paketen betrifft, musste die DB Postdienst nach § 2 Abs. 1 PPflLV die flächendeckende Annahme, Weiterleitung und Zustellung von Paketen bis zu einem Gewicht von 20 kg und bis zu bestimmten Höchstmaßen gewährleisten. Ferner ermächtigte § 2 Abs. 2 Nr. 3 PPflLV die DB Postdienst, Preisnachlässe gegenüber dem einheitlichen Leistungsentgelt zu gewähren, wenn der Kunde selbst Sortierleistungen vornahm oder eine Mindestmenge an Paketen aufgab.
Rz. 5
Gemäß den §§ 1 und 2 des Postumwandlungsgesetzes vom 14. September 1994 (BGBl. 1994 I S. 2339) wurden die drei aus der Aufspaltung der Deutschen Bundespost hervorgegangenen rechtlichen Einheiten zum 1. Januar 1995 in Aktiengesellschaften (AG) umge...