Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Seeverkehr. Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr. Annullierung von Personenverkehrsdiensten. Verspätete Lieferung eines Schiffes an den Beförderer. Ankündigung vor dem ursprünglich vorgesehenen Abfahrtstermin. Folgen. Anspruch auf anderweitige Beförderung. Modalitäten. Übernahme der zusätzlichen Kosten. Anspruch auf Entschädigung. Berechnung. Begriff des Fahrpreises. Für die Durchsetzung der Verordnung Nr. 1177/2010 zuständige nationale Stelle. Zuständigkeit. Begriff der Beschwerde. Gültigkeitsprüfung. Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 Art. 18-19, 20 Abs. 4, Art. 24-25; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 16-17, 20, 47
Beteiligte
National Transport Authority |
Tenor
1. Die Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 ist dahin auszulegen, dass sie anwendbar ist, wenn ein Beförderer einen Personenverkehrsdienst mehrere Wochen vor dem ursprünglich vorgesehenen Abfahrtstermin annulliert, weil das für diesen Dienst eingeplante Schiff verspätet geliefert wird und nicht ersetzt werden kann.
2. Art. 18 der Verordnung Nr. 1177/2010 ist dahin auszulegen, dass der Beförderer, wenn ein Personenverkehrsdienst annulliert wird und es auf derselben Verbindung keinen alternativen Verkehrsdienst gibt, verpflichtet ist, dem Fahrgast aufgrund seines in dieser Bestimmung vorgesehenen Anspruchs auf anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Bedingungen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen alternativen Verkehrsdienst auf einer anderen Strecke als der des annullierten Dienstes oder einen Seeverkehrsdienst in Kombination mit anderen Verkehrsträgern wie dem Straßen- oder Schienenverkehr anzubieten, und etwaige zusätzliche Kosten zu übernehmen hat, die dem Fahrgast im Rahmen dieser anderweitigen Beförderung zum Endziel entstanden sind.
3. Die Art. 18 und 19 der Verordnung Nr. 1177/2010 sind dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass der Beförderer einen Personenverkehrsdienst mehrere Wochen vor dem ursprünglich vorgesehenen Abfahrtstermin annulliert, der Fahrgast, der sich gemäß Art. 18 der Verordnung dafür entscheidet, zum frühestmöglichen Zeitpunkt anderweitig befördert zu werden oder seine Reise auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, und am ursprünglich vorgesehenen Endziel mit einer Verspätung ankommt, die über den in Art. 19 der Verordnung festgelegten Schwellenwerten liegt, einen Anspruch auf Entschädigung gemäß Art. 19 der Verordnung hat. Entscheidet sich ein Fahrgast dagegen für die Erstattung des Fahrpreises, hat er keinen Anspruch auf Entschädigung gemäß Art. 19 der Verordnung.
4. Art. 19 der Verordnung Nr. 1177/2010 ist dahin auszulegen, dass der in diesem Artikel enthaltene Begriff des Fahrpreises die Kosten für vom Fahrgast gewählte zusätzliche Sonderleistungen wie die Buchung einer Kabine oder eines Hundezwingers oder den Zugang zu Premium-Lounges einschließt.
5. Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1177/2010 ist dahin auszulegen, dass die verspätete Lieferung eines Fahrgastschiffes, die zur Annullierung aller Überfahrten geführt hat, die mit diesem Schiff im Rahmen einer neuen Seeverbindung vorgenommen werden sollten, nicht unter den Begriff der außergewöhnlichen Umstände im Sinne dieser Bestimmung fällt.
6. Art. 24 der Verordnung Nr. 1177/2010 ist dahin auszulegen, dass er dem Fahrgast, der eine Entschädigung gemäß Art. 19 der Verordnung beantragt, nicht aufgibt, seinen Antrag innerhalb von zwei Monaten nach der tatsächlichen oder geplanten Durchführung des Verkehrsdienstes in Form einer Beschwerde beim Beförderer einzureichen.
7. Art. 25 der Verordnung Nr. 1177/2010 ist dahin auszulegen, dass in die Zuständigkeit einer nationalen Stelle, die ein Mitgliedstaat für die Durchsetzung dieser Verordnung benannt hat, nicht nur der Personenverkehrsdienst fällt, der von einem im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gelegenen Hafen aus erbracht wird, sondern auch ein Personenverkehrsdienst, der von einem im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats gelegenen Hafen aus zu einem im Hoheitsgebiet des ersteren Mitgliedstaats gelegenen Hafen erbracht wird, wenn dieser letztere Verkehrsdienst im Rahmen einer Hin- und Rückfahrt stattfindet, die insgesamt annulliert worden ist.
8. Die Prüfung der Frage 10 hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Art. 18 und 19 der Verordnung Nr. 1177/2010 berühren könnte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 22. Juli 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juli 2019, in dem Verfahren
Irish Ferries Ltd
gegen
National Transport Authority
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräs...