Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Finanzsektor. Beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats. Staatliche Beihilfe zugunsten einer Bankengruppe. Form. Kapitalzuführung im Rahmen eines Umstrukturierungsplans. Entscheidung. Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt. Voraussetzungen. Änderung der Bedingungen für die Rückzahlung der Beihilfe. Kriterium des privaten Kapitalgebers
Beteiligte
Kommission / Niederlande und ING Groep |
Königreich der Niederlande |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
3. De Nederlandsche Bank NV trägt ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 11. Mai 2012,
Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn, S. Noë und H. van Vliet als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Königreich der Niederlande, vertreten durch M. de Ree, C. Wissels und J. Langer als Bevollmächtigte im Beistand von P. Glazener, advocaat,
ING Groep NV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: O. W. Brouwer und J. Blockx, advocaten, sowie M. O'Regan, Solicitor,
Kläger im ersten Rechtszug,
De Nederlandsche Bank NV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: S. Verschuur und H. Gornall, advocaten, sowie M. Petite, avocat,
Streithelferin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Richter J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzlerin: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2013,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. Dezember 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 2. März 2012, Niederlande und ING Groep/Kommission (T-29/10 und T-33/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht den Anträgen auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung 2010/608/EG der Kommission vom 18. November 2009 über die staatliche Beihilfe C 10/09 (ex N 138/09) der Niederlande – Stützungsfazilität für illiquide Vermögenswerte zugunsten von ING und Umstrukturierungsplan (ABl. 2010, L 274, S. 139, im Folgenden: streitige Entscheidung) stattgegeben hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 2
Die ING Groep NV (im Folgenden: ING) ist ein Finanzinstitut, das seinen Gesellschaftssitz in Amsterdam (Niederlande) hat und das Privat-, Unternehmens- und institutionellen Kunden in mehr als 40 Ländern Bank-, Anlage-, Lebensversicherungs- und Altersvorsorgedienstleistungen anbietet. ING hält 100 % der Anteile an der ING Bank NV und an der ING Verzekeringen NV, zwei Tochtergesellschaften, die ihrerseits die Tochtergesellschaften von ING im Banken- und im Versicherungsbereich kontrollieren.
Rz. 3
Wegen der weltweiten Finanzkrise, die im Jahr 2007 begann und sich im Folgejahr beträchtlich verschlimmerte, erließ das Königreich der Niederlande verschiedene Beihilfemaßnahmen zugunsten von ING, von denen insbesondere zwei im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels relevant sind.
Rz. 4
Die erste Beihilfemaßnahme bestand in einer Kapitalerhöhung, die im Wege der Schaffung von 1 Mrd. ING-Wertpapieren durchgeführt wurde, die weder ein Stimmrecht noch einen Dividendenanspruch gewährten und in vollem Umfang vom Königreich der Niederlande zum Preis von 10 Euro pro Wertpapier gezeichnet wurden. Dadurch konnte ING ihr sogenanntes „Core Tier 1”- Kapital (Kategorie 1) um 10 Mrd. Euro erhöhen. Nach den Rückzahlungsbedingungen, die in der zwischen dem Königreich der Niederlande und ING in diesem Zusammenhang getroffenen Vereinbarung über die Zeichnung von Wertpapieren enthalten waren, sollten diese Wertpapiere auf Initiative von ING entweder zum Stückpreis von 15 Euro (d. h. mit einem Rückzahlungsagio von 50 % auf den Ausgabepreis) zurückgekauft werden oder nach drei Jahren in Stammaktien umgewandelt werden. Sollte ING sich für die Umwandlung entscheiden, hatten die niederländischen Behörden die Möglichkeit, die Wertpapiere von ING zu einem Stückpreis von 10 Euro zuzüglich Stückzinsen zurückzukaufen. Die Niederlande sollten nur dann eine Kuponzahlung erhalten, wenn ING für die Stammaktien Dividenden ausschüttete.
Rz. 5
Die zweite Beihilfemaßnahme bestand in einem Cashflow-Swap bezüglich wertgeminderter Aktiva und betraf ein Portfolio, das durch in den USA gewährte Hypothekendarlehen besichert war und dessen Wert beträchtlich gesunken war.
Rz. 6
Am 22. Oktober 2008 notifizierte das Königreich der Niederlande der Kommission die erste Beihilfemaßnahme, und am 11. November 2008 erfolgte die Kapitalerhöhung von...