Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Begriff ‚Beihilfe’. Begriff ‚wirtschaftlicher Vorteil’. Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden privaten Wirtschaftsteilnehmers. Voraussetzungen für die Anwendbarkeit und die Anwendung. Finanzkrise. Aufeinanderfolgende Maßnahmen zur Rettung einer Bank. Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung der Risiken aus den von dem Mitgliedstaat bei der ersten Maßnahme eingegangenen Verpflichtungen bei der Beurteilung der zweiten Maßnahme
Beteiligte
Kommission/ FIH Holding und FIH Erhversbank |
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 15. September 2016, FIH Holding und FIH Erhvervsbank/Kommission (T-386/14, EU:T:2016:474), wird aufgehoben.
2. Der erste Klagegrund vor dem Gericht der Europäischen Union wird zurückgewiesen.
3. Die Sache wird zur Entscheidung über den zweiten Klagegrund an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.
4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 16. November 2016,
Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouchagiar und L. Flynn sowie durch K. Blanck-Putz als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
FIH Holding A/S mit Sitz in Kopenhagen (Dänemark),
FIH Erhvervsbank A/S mit Sitz in Kopenhagen,
Prozessbevollmächtigter: O. Koktvedgaard, advokat,
Klägerinnen im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, T. von Danwitz, J. L. da Cruz Vilaça, C. G. Fernlund und C. Vajda, der Richter J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter), der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan, D. Šváby, E. Jarašiūnas, S. Rodin und F. Biltgen,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2017,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. November 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 15. September 2016, FIH Holding und FIH Erhvervsbank/Kommission (T-386/14, EU:T:2016:474, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht den Beschluss 2014/884/EU der Kommission vom 11. März 2014 über die staatliche Beihilfe SA.34445 (12/C) Dänemarks für die Übertragung von Immobilienkrediten von der FIH auf die FSC (ABl. 2014, L 357, S. 89, im Folgenden: streitiger Beschluss) für nichtig erklärt hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 2
Die FIH Erhvervsbank A/S (im Folgenden: FIH) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die gemäß den dänischen Rechtsvorschriften für das Bankwesen errichtet wurde und von den dänischen Bankbehörden beaufsichtigt wird. FIH und ihre Tochtergesellschaften werden vollständig von der FIH Holding A/S gehalten.
Rz. 3
Betroffen von der weltweiten Finanzkrise, die im Jahr 2007 begann, kamen FIH im Laufe des Jahres 2009 zwei Arten von Maßnahmen zugute. Zum einen erhielt sie im Juni 2009 nach dem Lov om statstligt indskud i kreditinstitutter (Gesetz über staatlich finanzierte Kapitalzuführungen) vom 3. Februar 2009 und nach der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung eine Zuführung von 1,9 Mrd. dänischen Kronen (DKK) (etwa 255 Mio. Euro) an hybridem Kernkapital. Zum anderen gewährte das Königreich Dänemark im Juli 2009 FIH nach dem Lov om finansiel stabilitet (Finanzstabilitätsgesetz) vom 10. Oktober 2008 in der Fassung des Gesetzes Nr. 68 vom 3. Februar 2009 eine staatliche Bürgschaft über einen Betrag von 50 Mrd. DKK (etwa 6,71 Mrd. Euro) (im Folgenden zusammen: Maßnahmen des Jahres 2009). FIH verwendete diese gesamte Bürgschaft zur Emission von Anleihen.
Rz. 4
Beide Gesetze waren von der Kommission mit dem Beschluss C(2009) 776 final vom 3. Februar 2009 über die staatliche Beihilfe N31a/2009 – Dänemark als mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilferegelung gebilligt worden.
Rz. 5
Zum 31. Dezember 2011 belief sich der Betrag der von FIH ausgegebenen und vom dänischen Staat verbürgten Anleihen auf 41,7 Mrd. DKK (etwa 5,59 Mrd. Euro), d. h. 49,94 % der Bilanzsumme von FIH. Diese Anleihen sollten 2012 und 2013 fällig werden.
Rz. 6
Zwischen 2009 und 2011 senkte die Ratingagentur Moody's das Rating von FIH von A2 auf B1 mit negativen Aussichten.
Rz. 7
Insbesondere wegen dieser Herabstufung des Ratings und des nahenden Fälligkeitsdatums der von FIH ausgegebenen und vom dänischen Staat verbürgten Anleihen wurde im Lauf des Jahres 2011 klar, dass FIH in den Jahren 2012 oder 2013 Liquiditätsprobleme zu erwarten haben werde, die möglicherweise zum Verlust ihrer Bankzulassung und damit zu ihrer Überführung in die Liquidation führen könnten.
Rz. 8
Unter diesen Umständen meldete das Königreich Dänemar...