Entscheidungsstichwort (Thema)
Dublin-System. Verordnung (EG) Nr. 343/2003. Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats. Drittstaatsangehörige, die Inhaber eines gültigen Visums sind, das von dem nach dieser Verordnung ‚zuständigen Mitgliedstaat’. ausgestellt wurde. Asylantrag, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem nach der genannten Verordnung zuständigen Staat gestellt wurde. Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat mit anschließender Rücknahme des Asylantrags. Rücknahme, bevor der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat. Rücknahme, durch die die in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 festgelegten Verfahren beendet werden
Beteiligte
Tenor
Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ist dahin auszulegen, dass die Rücknahme eines Asylantrags im Sinne ihres Art. 2 Buchst. c, die erfolgt, bevor der für die Prüfung dieses Antrags zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme des Antragstellers zugestimmt hat, zur Folge hat, dass diese Verordnung nicht mehr anzuwenden ist. In einem solchen Fall ist es Sache des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Antrag gestellt wurde, die aufgrund dieser Rücknahme gebotenen Entscheidungen zu treffen und insbesondere die Antragsprüfung einzustellen und in die Akte des Antragstellers eine entsprechende Notiz aufzunehmen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Kammarrätten i Stockholm – Migrationsöverdomstolen (Schweden) mit Entscheidung vom 16. Dezember 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2010, in dem Verfahren
Migrationsverket
gegen
Nurije Kastrati,
Valdrina Kastrati,
Valdrin Kastrati
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin A. Prechal, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Migrationsverket, vertreten durch H. Karling und M. Ribbenvik als Bevollmächtigte,
- von Frau Kastrati und ihren minderjährigen Kindern, vertreten durch H.-O. Krokstäde, juris kandidat, und S. Kastrati,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,
- der hellenischen Regierung, vertreten durch M. Michelogiannaki und L. Kotroni als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels, M. Noort und C. Schillemans als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und C. Tufvesson als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Januar 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Migrationsverket (nationale Einwanderungsbehörde), das für Einwanderungsfragen zuständig ist, auf der einen und Frau Kastrati und ihren beiden minderjährigen Kindern, Valdrina und Valdrin, Staatsangehörige des Kosovo, auf der anderen Seite wegen Nichtigerklärung der Entscheidung, mit der diese Behörde ihre Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und auf Asyl in Schweden abgelehnt und ihre Überstellung in den nach der Verordnung Nr. 343/2003 „zuständigen Mitgliedstaat” angeordnet hat.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 343/2003
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 3 und 4 der Verordnung Nr. 343/2003 lauten:
„(3) Entsprechend den Schlussfolgerungen von Tampere sollte [das Gemeinsame Europäische Asylsystem] auf kurze Sicht eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats umfassen.
(4) Eine solche Formel sollte auf objektiven und für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien basieren. Sie sollte insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitun...