Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Kartelle. Markt für die Wiederverwertung von Autobatterien. Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2006. Rn. 26. Teilerlass. Zusätzliche, die Schwere oder die Dauer der Zuwiderhandlung erhöhende Tatsachen. Der Europäischen Kommission bekannte Umstände. Ermäßigung der Geldbuße. Einstufung im Hinblick auf die Ermäßigung. Zeitliche Reihenfolge
Beteiligte
Fonderie et Manufacture de Métaux SA |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Recylex SA, die Fonderie et Manufacture de Métaux SA und die Harz-Metall GmbH tragen die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 23. Juli 2019,
Recylex SA mit Sitz in Paris (Frankreich),
Fonderie et Manufacture de Métaux SA mit Sitz in Brüssel (Belgien),
Harz-Metall GmbH mit Sitz in Goslar (Deutschland),
Prozessbevollmächtigte: M. Wellinger, avocat, sowie S. Reinart und K. Bongs, Rechtsanwältinnen,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch J. Szczodrowski, I. Rogalski und F. van Schaik als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter A. Kumin, T. von Danwitz (Berichterstatter) und P. G. Xuereb,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. September 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Recylex SA, die Fonderie et Manufacture de Métaux SA und die Harz-Metall GmbH die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 23. Mai 2019, Recylex u. a./Kommission (T-222/17, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2019:356), mit dem das Gericht ihre Klage auf Herabsetzung der gegen sie mit dem Beschluss C(2017) 900 final der Kommission vom 8. Februar 2017 in einem Verfahren nach Art. 101 AEUV (Sache AT.40018 – Autobatterie-Recycling) (im Folgenden: streitiger Beschluss) verhängten Geldbuße abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EG) Nr. 1/2003
Rz. 2
Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt:
„(2) Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig
a) gegen Artikel [101] oder Artikel [102 AEUV] verstoßen …
…
(3) Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.”
Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2002
Rz. 3
Rn. 23 Buchst. b letzter Absatz der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2002) sah vor:
„Falls ein Unternehmen Beweismittel für einen Sachverhalt vorlegt, von denen die Kommission zuvor keine Kenntnis hatte und die die Schwere oder Dauer des mutmaßlichen Kartells unmittelbar beeinflussen, lässt die Kommission diese Faktoren bei der Festsetzung der Geldbuße gegen das Unternehmen, das diese Beweismittel geliefert hat, unberücksichtigt.”
Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2006
Rz. 4
In den Rn. 8, 10 und 11 sowie in Rn. 12 Buchst. a der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17, im Folgenden: Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2006) in deren Abschnitt II („Erlass der Geldbuße”) heißt es:
„(8) Die Kommission erlässt einem Unternehmen, das seine Beteiligung an einem mutmaßlichen, die [Union] betreffenden Kartell offenlegt, die Geldbuße, die andernfalls verhängt worden wäre, sofern das Unternehmen als erstes Informationen und Beweismittel vorlegt, die es der Kommission ihrer Auffassung nach ermöglichen,
(a) gezielte Nachprüfungen im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Kartell durchzuführen… oder
(b) im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Kartell eine Zuwiderhandlung gegen Artikel [101 AEUV] festzustellen.
…
(10) Ein Erlass der Geldbuße im Sinne von Randnummer (8) Buchstabe a) wird nur dann gewährt, wenn die Kommission zum Zeitpunkt der Vorlage nicht bereits über ausreichende Beweismittel verfügte, um eine Nachprüfung im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Kartell anzuordnen[,] oder eine solche Nachprüfung bereits durchgeführt hatte.
(11) Ein Geldbußenerlass im Sinne von Randnummer (8) Buchstabe b) wird nur unter den kumulativen Bedingungen gewährt, dass die Kommission zum Zeitpunkt der Vorlage nicht über ausreichende Beweismittel verfügte, um eine Zuwiderhandlung...