Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung der Bemessungsgrundlage, Uneinbringlichkeit des Entgelts, Verzug der Zahlung von Leasingraten, Entschädigungszahlung bei Leasingratenverzug
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 90, 90 Abs. 1
Beteiligte
Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (NAP) |
Verfahrensgang
Varhoven administrativen sad (Bulgarien) (Beschluss vom 26.03.2018; ABl. EU 2018 Nr. C 211/16) |
Tenor
1. Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er bei einer Kündigung eines Finanzierungsleasingvertrags eine Minderung der durch Steuerprüfungsbescheid pauschal anhand aller für die gesamte Vertragslaufzeit geschuldeten Leasingraten festgesetzten Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage erlaubt, obwohl dieser Prüfungsbescheid bestandskräftig geworden ist und somit einen „beständigen Verwaltungsakt” darstellt, mit dem gemäß dem nationalen Recht eine Steuerschuld festgestellt wird.
2. Art. 90 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zum einen die Nichtzahlung eines Teils der aus einem Finanzierungsleasingvertrag geschuldeten Leasingraten für den Zeitraum ab Zahlungseinstellung bis zur nicht rückwirkenden Kündigung des Vertrags und zum anderen die Nichtzahlung eines im Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung geschuldeten Schadensersatzes, der der Summe aller ausstehenden Leasingraten bis zum Ende der Laufzeit dieses Vertrags entspricht, eine Nichtbezahlung darstellen, die unter die Ausnahme von der Pflicht zur Minderung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage gemäß Art. 90 Abs. 2 dieser Richtlinie fallen kann, es sei denn, der Steuerpflichtige macht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit geltend, dass diese Schuld nicht beglichen wird, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 26. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 5. April 2018, in dem Verfahren
”UniCredit Leasing” EAD
gegen
Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” - Sofia pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (NAP)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Richterin C. Toader sowie der Richter A. Rosas, L. Bay Larsen und M. Safjan,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der „UniCredit Leasing” EAD, vertreten durch I. Dimitrova und M. Raykov, advokati,
- des Direktor der Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (NAP), vertreten durch N. Kalistratov als Bevollmächtigten,
- der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und T. Mitova, als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal, Y. Marinova und P. Mihaylova als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 90 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „UniCredit Leasing” EAD (im Folgenden: Unicredit) und dem Direktor der Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (NAP) (Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis” Sofia bei der Zentralverwaltung der Nationalen Finanzbehörde [NAP]) (im Folgenden: Direktor) wegen der Weigerung des Direktors, Unicredit eine Erstattung der Mehrwertsteuer für nicht gezahlte Raten eines Leasingvertrags zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Akte über den Beitritt der Republik Bulgarien zur Europäischen Union
Rz. 3
In Art. 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht (ABl. 2005, L 157, S. 203), heißt es:
„Ab dem Tag des Beitritts sind die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe und der Europäischen Zentralbank für Bulgarien und Rumänien verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und dieser Akte.”
Mehrwertsteuerrichtlinie
Rz. 4
Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im...