Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Marken. Anmeldung einer nationalen, mit einer älteren Gemeinschaftsmarke identischen oder ihr ähnlichen Marke. In der Europäischen Union bekannte Gemeinschaftsmarke. Geografische Ausdehnung der Bekanntheit
Beteiligte
Tenor
1. Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass, sofern die Bekanntheit einer älteren Gemeinschaftsmarke in einem wesentlichen Teil des Gebiets der Europäischen Union erwiesen ist, das gegebenenfalls mit dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats zusammenfallen kann, der nicht notwendigerweise der sein muss, in dem eine Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, davon auszugehen ist, dass diese Marke in der Europäischen Union bekannt ist. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien betreffend die ernsthafte Benutzung der Gemeinschaftsmarke sind als solche für den Nachweis des Vorliegens einer „Bekanntheit” im Sinne von Art. 4 Abs. 3 dieser Richtlinie nicht maßgebend.
2. Der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke kann, sofern die ältere Gemeinschaftsmarke bereits in einem wesentlichen Teil des Gebiets der Europäischen Union Bekanntheit erlangt hat, nicht aber bei den maßgeblichen Verkehrskreisen des Mitgliedstaats, in dem die Anmeldung der jüngeren nationalen Marke erfolgt ist, gegen die Widerspruch erhoben wurde, nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95 Schutz genießen, wenn sich herausstellt, dass ein wirtschaftlich nicht unerheblicher Teil dieser Verkehrskreise diese Marke kennt, sie mit der jüngeren nationalen Marke gedanklich verbindet und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles entweder eine tatsächliche und gegenwärtige Beeinträchtigung der Gemeinschaftsmarke im Sinne dieser Bestimmung vorliegt oder, wenn es daran fehlt, die ernsthafte Gefahr einer solchen künftigen Beeinträchtigung besteht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Gericht, Ungarn) mit Entscheidung vom 10. März 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 18. März 2014, in dem Verfahren
Iron & Smith kft
gegen
Unilever NV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), der Richterin K. Jürimäe, der Richter J. Malenovský und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Iron & Smith kft, vertreten durch A. Krajnyák und N. Kovács, ügyvédek,
- der Unilever NV, vertreten durch P. Lukácsi und B. Bozóki, ügyvédek,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér und M. Ficsor als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning, M. Wolff und M. Lyshøj als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, F.-X. Bréchot und D. Segoin als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Beeko als Bevollmächtigte im Beistand von N. Saunders, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Béres und F. W. Bulst als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. März 2015
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Iron & Smith kft (im Folgenden: Iron & Smith) und der Unilever NV (im Folgenden: Unilever) wegen Abänderung der Entscheidung des Szellemi Tulajdon Nemzeti Hivatalá (Nationales Amt für geistiges Eigentum, im Folgenden: Amt), mit der dieses die Anmeldung einer Marke von Iron & Smith zurückgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) bestimmt:
„(1) Die entsprechend den Voraussetzungen und Einzelheiten dieser Verordnung eingetragenen Marken für Waren oder Dienstleistungen werden nachstehend ‚Gemeinschaftsmarken’ genannt.
(2) Die Gemeinschaftsmarke ist einheitlich. Sie hat einheitliche Wirkung für die gesamte Gemeinschaft: sie kann nur für dieses gesamte Gebiet eingetragen oder übertragen werden oder Gegenstand eines Verzichts oder einer Entscheidung über den Verfall der Rechte des Inhabers oder die Nichtigkeit sein, und ihre Benutzung kann nur für die gesamte Gemeinschaft untersagt werden. Dieser Grundsatz...