Entscheidungsstichwort (Thema)
Umwelt. Gülle, die in einem Schweinemastbetrieb anfällt und dort gelagert wird, bis sie an Landwirte abgegeben wird, die sie zur Düngung ihrer Flächen verwenden. Einstufung als ‚Abfall’ oder als ‚Nebenprodukt’. Voraussetzungen. Beweislast. Nichtumsetzung. Persönliche Verantwortung des Erzeugers für die Einhaltung des die Abfall- und die Düngemittelbewirtschaftung betreffenden Unionsrechts durch diese Landwirte
Normenkette
Richtlinie 75/442/EWG; Richtlinie 91/676/EWG
Beteiligte
Environmental Protection Agency |
Tenor
1. Art. 1 Buchst. a Abs. 1 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der durch die Entscheidung 96/350/EG der Kommission vom 24. Mai 1996 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Gülle, die in einem Intensivschweinemastbetrieb anfällt und gelagert wird, bis sie an Landwirte geliefert wird, um von diesen zur Düngung ihrer Flächen verwendet zu werden, kein „Abfall” im Sinne dieser Vorschrift, sondern ein Nebenprodukt ist, sofern dieser Erzeuger die Gülle unter für ihn wirtschaftlich vorteilhaften Bedingungen in einem späteren Vorgang vermarkten möchte, wobei Voraussetzung ist, dass diese Wiederverwendung nicht nur möglich, sondern ohne vorherige Bearbeitung in Fortsetzung des Gewinnungsverfahrens gewiss ist. Es ist Sache der nationalen Gerichte, unter Berücksichtigung sämtlicher relevanten Umstände der Fälle, über die sie zu befinden haben, zu prüfen, ob diese verschiedenen Kriterien erfüllt sind.
2. Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, wenn die Beweislast dafür, dass die Kriterien, aufgrund deren angenommen werden kann, dass ein Stoff wie die unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens angefallene, gelagerte und abgegebene Gülle ein Nebenprodukt darstellt, erfüllt sind, dem Erzeuger dieser Gülle obliegt, sofern sich daraus keine Beeinträchtigung der Wirksamkeit des Unionsrechts, insbesondere der Richtlinie 75/442 in der durch die Entscheidung 96/350 geänderten Fassung, ergibt und sichergestellt ist, dass die unionsrechtlichen Pflichten beachtet werden, insbesondere die Pflicht, die Vorschriften dieser Richtlinie nicht auf Stoffe anzuwenden, die in Anwendung der genannten Kriterien nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs als Nebenprodukte anzusehen sind, für die diese Richtlinie nicht gilt.
3. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Richtlinie 75/442 in der durch die Entscheidung 96/350 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass, soweit die Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen nicht in das Recht eines Mitgliedstaats umgesetzt worden ist, nicht angenommen werden kann, dass für in einem Schweinehaltungsbetrieb in diesem Mitgliedstaat anfallenden Dung – weil es diese Richtlinie gibt – im Sinne der genannten Bestimmung „andere Rechtsvorschriften gelten”.
4. Falls Gülle, die in einem Schweinemastbetrieb anfällt und sich in dessen Besitz befindet, als „Abfall” im Sinne des Art. 1 Buchst. a Abs. 1 der Richtlinie 75/442 in der durch die Entscheidung 96/350 geänderten Fassung einzustufen ist,
- ist Art. 8 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass er es nicht erlaubt, dem Besitzer unter welchen Auflagen auch immer zu gestatten, sich dieses Abfalls durch Abgabe an einen Landwirt, der ihn zur Düngung seiner Flächen verwendet, zu entledigen, wenn sich erweist, dass dieser Landwirt weder über eine Genehmigung nach Art. 10 der Richtlinie verfügt noch nach Art. 11 der Richtlinie von der Genehmigungspflicht befreit und gemeldet ist;
- sind die Art. 8, 10 und 11 der Richtlinie zusammen betrachtet dahin auszulegen, dass sie es nicht erlauben, dass die Abgabe dieses Abfalls durch den Besitzer an einen Landwirt, der ihn zur Düngung seiner Flächen verwendet und über eine Genehmigung nach Art. 10 der Richtlinie verfügt oder nach Art. 11 der Richtlinie von der Genehmigungspflicht befreit und gemeldet ist, der Bedingung unterworfen wird, dass der Besitzer die Verantwortung dafür übernimmt, dass der Landwirt die Vorschriften einhält, die nach dem die Abfall- und die Düngemittelbewirtschaftung betreffenden Unionsrecht für die von ihm durchgeführten Verwertungsmaßnahmen gelten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Irland) mit Entscheidung vom 23. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 1. März 2012, in dem Verfahren
Donal Brady
gegen
Environmental Protection Agency
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin),
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Brady, vertreten durch A. Collins, SC, und D. Gearty, Solicitor,
- der Environmental Protec...