Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenverkehr. Pflicht, einen Fahrtenschreiber zu benutzen. Ausnahmen für nichtgewerbliche Güterbeförderungen. Begriff. Güterbeförderung durch eine Privatperson im Rahmen ihrer Freizeitbeschäftigung als Rallyefahrer auf Amateurniveau, die teilweise durch Sponsorenbeiträge Dritter finanziert wird
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 561/2006
Beteiligte
Tenor
Der Begriff „nichtgewerbliche Güterbeförderung” in Art. 3 Buchst. h der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates ist dahin auszulegen, dass er die Güterbeförderung erfasst, die eine Privatperson auf eigene Rechnung und ausschließlich im Rahmen einer Freizeitbeschäftigung durchführt, wenn diese teilweise durch finanzielle Beiträge Dritter finanziert wird und für die Beförderung keine Vergütung gezahlt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV, eingereicht vom Svea hovrätt (Schweden) mit Entscheidung vom 11. Juni 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juli 2012, in dem Strafverfahren gegen
Daniel Lundberg
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. Berger (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Levits und J.-J. Kasel,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der niederländischen Regierung, vertreten durch J. Langer und C. Wissels als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hottiaux und K. Simonsson als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „nichtgewerbliche Güterbeförderung” im Sinne von Art. 3 Buchst. h der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. L 102, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Lundberg wegen Verstoßes gegen die Pflicht zum Einbau und zur Verwendung eines zugelassenen Fahrtenschreibers in einem Lastkraftwagen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (ABl. L 370, S. 8) in der durch die Verordnung Nr. 561/2006 geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 3821/85) sieht vor:
„Das Kontrollgerät muss bei Fahrzeugen eingebaut und benutzt werden, die der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und in einem Mitgliedstaat zugelassen sind; ausgenommen sind die in Artikel 3 der Verordnung … Nr. 561/2006 genannten Fahrzeuge …”
Rz. 4
Nach dem 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 561/2006, die mit Wirkung vom 11. April 2007 die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. L 370, S. 1) aufgehoben und ersetzt hat, sollen mit dieser Verordnung die sozialen Bedingungen für die von ihr erfassten Arbeitnehmer sowie die allgemeine Straßenverkehrssicherheit verbessert werden.
Rz. 5
Art. 1 der Verordnung Nr. 561/2006 bestimmt:
„Durch diese Verordnung werden Vorschriften zu den Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten für Kraftfahrer im Straßengüter- und -personenverkehr festgelegt, um die Bedingungen für den Wettbewerb zwischen Landverkehrsträgern, insbesondere im Straßenverkehrsgewerbe, anzugleichen und die Arbeitsbedingungen sowie die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern. Ziel dieser Verordnung ist es ferner, zu einer besseren Kontrolle und Durchsetzung durch die Mitgliedstaaten sowie zu einer besseren Arbeitspraxis innerhalb des Straßenverkehrsgewerbes beizutragen.”
Rz. 6
Art. 3 dieser Verordnung sieht vor:
„Diese Verordnung gilt nicht für Beförderungen im Straßenverkehr mit folgenden Fahrzeugen:
…
h) Fahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen mit einer zulässigen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 t, die zur nichtgewerblichen Güterbeförderung verwendet werden;
…”
Schwedisches Recht
Rz. 7
Nach Kapitel 9 § 5 Nr. 2 der Verordnung (2004:865) über Lenk- und Ruhezeiten sowie das Kontrollgerät u. a. (Förordning [2004:865] om kör- och vilotider samt färdskrivare, m.m.) wird ein Fahrer, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3821/85 verstößt, mit einer Geldbuße belegt.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rz. 8
Herr Lundberg, der als selbständiger Berater im Bereich der Straßenverkehrssicherheit tätig ist,...