Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen. Ziel der Verringerung der Verunreinigung. Von Verunreinigung betroffene Gewässer. Nitratgehalt von höchstens 50 mg/l. Von den Mitgliedstaaten erlassene Aktionsprogramme. Rechte Einzelner auf Änderung eines solchen Programms. Antrags- bzw. Klage- oder Beschwerdebefugnis vor nationalen Behörden und Gerichten
Normenkette
Richtlinie 91/676/EWG
Beteiligte
Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland u.a |
Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland |
Tenor
Art. 288 AEUV sowie Art. 5 Abs. 4 und 5 und Anhang I Punkt A Nr. 2 der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen sind dahin auszulegen, dass, sofern die Ableitung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen erheblich zur Verunreinigung des betroffenen Grundwassers beiträgt, natürliche und juristische Personen wie die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens von den zuständigen nationalen Behörden verlangen können müssen, dass diese ein bestehendes Aktionsprogramm ändern oder zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen gemäß Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie erlassen, solange der Nitratgehalt im Grundwasser ohne solche Maßnahmen an einer oder mehreren Messstellen im Sinne des Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 50 mg/l überschreitet oder zu überschreiten droht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 13. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 19. März 2018, in dem Verfahren
Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland,
Robert Prandl,
Gemeinde Zillingdorf,
Beteiligter:
Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, vormals Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Richterin C. Toader sowie der Richter A. Rosas, L. Bay Larsen und M. Safjan,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Wasserleitungsverbands Nördliches Burgenland, von Herrn Prandl und der Gemeinde Zillingdorf, vertreten durch Rechtsanwalt C. Onz und H. Herlicska,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse, C. Drexel, J. Schmoll und C. Vogl als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch J. M. Hoogveld, M. K. Bulterman und M. A. M. de Ree als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, D. Krawczyk und M. Malczewska als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. C. Becker und E. Manhaeve als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 28. März 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 288 AEUV sowie von Art. 5 Abs. 4 und 5 und Anhang I Punkt A Nr. 2 der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. 1991, L 375, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens, das vom Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland (Österreich) (im Folgenden: Wasserleitungsverband), Herrn Robert Prandl und der Gemeinde Zillingdorf (Österreich) gegen einen Bescheid des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (Österreich) – ehemals Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Österreich) (im Folgenden: Ministerium) vom 30. Mai 2016 eingeleitet wurde, mit dem das Ministerium Anträge auf Änderung oder Fortschreibung der Verordnung Aktionsprogramm Nitrat 2012 (BGBl. II Nr. 24/2012) als unzulässig zurückgewiesen hatte.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) Nrn. 4 und 5 des am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichneten und mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus) bestimmt:
„4. … ‚Öffentlichkeit’ [bedeutet] eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;
5. … ‚betroffene Öffentlichkeit’ [bedeutet] die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben nichtstaatliche Organisatio...