Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Fakultative Ausschlussgründe. Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers von der Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Vorzeitige Beendigung eines früheren Auftrags wegen teilweiser Unterauftragsvergabe. Begriff ‚erhebliche oder dauerhafte Mängel’. Bedeutung

 

Normenkette

Richtlinie 2014/24/EU Art. 57 Abs. 4

 

Beteiligte

Delta Antrepriză de Construcţii şi Montaj 93

Delta Antrepriză de Construcţii şi Montaj 93 SA

Compania Naţională de Administrare a Infrastructurii Rutiere SA

 

Tenor

Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass die Vergabe eines Unterauftrags für einen Teil der Arbeiten im Rahmen eines früheren öffentlichen Auftrags durch einen Wirtschaftsteilnehmer, die ohne Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers entschieden wurde und zur vorzeitigen Beendigung des Auftrags führte, im Sinne dieser Bestimmung einen erheblichen oder dauerhaften Mangel bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen dieses Auftrags darstellt und daher den Ausschluss des Wirtschaftsteilnehmers von der Teilnahme an einem späteren Vergabeverfahren rechtfertigt, wenn der dieses spätere Vergabeverfahren organisierende öffentliche Auftraggeber, nachdem er selbst die Integrität und Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers, dessen vorheriger öffentlicher Auftrag vorzeitig beendet wurde, bewertet hat, der Auffassung ist, dass eine solche Unterauftragsvergabe das Vertrauensverhältnis zu diesem Wirtschaftsteilnehmer zerstört. Bevor er einen solchen Ausschluss ausspricht, muss der öffentliche Auftraggeber dem Wirtschaftsteilnehmer jedoch gemäß Art. 57 Abs. 6 in Verbindung mit dem 102. Erwägungsgrund der genannten Richtlinie die Möglichkeit geben, die Abhilfemaßnahmen zu benennen, die er infolge der vorzeitigen Beendigung des früheren öffentlichen Auftrags ergriffen hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 2. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 17. April 2018, in dem Verfahren

Delta Antrepriză de Construcţii şi Montaj 93 SA

gegen

Compania Naţională de Administrare a Infrastructurii Rutiere SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter), S. Rodin und N. Piçarra,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Delta Antrepriză de Construcţii şi Montaj 93 SA, vertreten durch I. G. Iacob, R. E. Cîrlig, I. Cojocaru, A. M. Abrudan und I. Macovei, avocaţi,
  • der rumänischen Regierung, vertreten durch C.-R. Canţăr, R. I. Haţieganu und L. Liţu als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Biolan, P. Ondrůšek und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Mai 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Delta Antrepriză de Construcţii şi Montaj 93 SA (im Folgenden: Delta) und der Compania Naţională de Administrare a Infrastructurii Rutiere SA (im Folgenden: CNAIR) als öffentliche Auftraggeberin über den Ausschluss von Delta von der Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2014/24

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 101 und 102 der Richtlinie 2014/24 heißt es:

„(101) Öffentliche Auftraggeber sollten … die Möglichkeit erhalten, Wirtschaftsteilnehmer auszuschließen, die sich als unzuverlässig erwiesen haben, beispielsweise wegen Verstoßes gegen umwelt- oder sozialrechtliche Verpflichtungen, einschließlich Vorschriften zur Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen, oder wegen anderer Formen schwerwiegenden beruflichen Fehlverhaltens wie der Verletzung von Wettbewerbsregeln oder Rechten des geistigen Eigentums. Es sollte klargestellt werden, dass schwerwiegendes berufliches Fehlverhalten die Integrität eines Wirtschaftsteilnehmers infrage stellen und dazu führen kann, dass er – auch wenn er ansonsten über die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zur Auftragsausführung verfügen würde – als für die Vergabe eines öffentlichen Auf...

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