Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Fakultativer Ausschlussgrund aufgrund von Mängeln im Rahmen eines früheren Auftrags. An eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern vergebener Auftrag. Vorzeitige Beendigung dieses Auftrags. Automatische Eintragung sämtlicher Mitglieder der Gruppe in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf
Normenkette
Richtlinie 2014/24/EU Art. 57 Abs. 4 Buchst. g; Richtlinie 89/665/EWG Art. 1 Abs. 1, 3
Beteiligte
Vilniaus miesto savivaldybės administracija |
Tenor
1. Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG
sind dahin auszulegen, dass
sie einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehen, wonach dann, wenn der öffentliche Auftraggeber einen an eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern vergebenen öffentlichen Auftrag wegen erheblicher oder dauerhafter Mängel, die zur Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung im Rahmen dieses Auftrags geführt haben, vorzeitig beendet, jedes Mitglied dieser Gruppe automatisch in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eingetragen wird und damit vorübergehend grundsätzlich daran gehindert ist, an neuen Vergabeverfahren teilzunehmen.
2. Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24
sind dahin auszulegen, dass
ein Wirtschaftsteilnehmer, der Mitglied einer Bietergemeinschaft ist, an die ein öffentlicher Auftrag vergeben wurde, im Fall der vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags wegen Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung zum Nachweis, dass seine Eintragung in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer nicht gerechtfertigt ist, jeden Umstand einschließlich solcher, die Dritte wie das federführende Unternehmen dieser Bietergemeinschaft betreffen, geltend machen kann, der belegen kann, dass er die Mängel, die zur vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags geführt haben, nicht verursacht hat und dass von ihm vernünftigerweise nicht verlangt werden konnte, mehr zu tun, als er getan hat, um ihnen abzuhelfen.
3. Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
ein Mitgliedstaat, der im Rahmen der Festlegung von Voraussetzungen für die Anwendung des in Art. 57 Abs. 4 Buchst. g der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen fakultativen Ausschlussgrundes vorsieht, dass die Mitglieder einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern, an die ein öffentlicher Auftrag vergeben wurde, im Fall der vorzeitigen Beendigung dieses Auftrags wegen Nichterfüllung einer wesentlichen Verpflichtung in eine Liste unzuverlässiger Auftragnehmer eingetragen werden und damit von der Teilnahme an neuen Vergabeverfahren vorübergehend grundsätzlich ausgeschlossen sind, diesen Wirtschaftsteilnehmern das Recht gewährleisten muss, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen ihre Eintragung in diese Liste einzulegen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberstes Gericht Litauens) mit Entscheidung vom 11. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren
„HSC Baltic” UAB,
„Mitnija” UAB,
„Montuotojas” UAB
gegen
Vilniaus miesto savivaldybės administracija,
Beteiligte:
„Active Construction Management” UAB, in Insolvenz,
„Vilniaus vystymo kompanija” UAB,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos (Berichterstatter), der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.-C. Bonichot und S. Rodin sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der litauischen Regierung, vertreten durch K. Dieninis, V. Kazlauskaitė-Švenčionienė und E. Kurelaitytė als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch L. Halajová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Ondrůšek, A. Steiblytė und G. Wils als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 4 Buchst. g und Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) sowie von Art. 1 A...