Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendendes Recht. Ausschluss des Gesellschaftsrechts vom Anwendungsbereich des Übereinkommens von Rom. Treuhandvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, dessen einziger Zweck in der Verwaltung eines Kommanditanteils besteht
Normenkette
EGV Nr. 593/2008 (Rom I)
Beteiligte
Verein für Konsumenteninformation |
Verein für Konsumenteninformation |
TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co KG |
Tenor
1. Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht und Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) sind dahin auszulegen, dass vertragliche Pflichten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die ihren Ursprung in einem Treuhandvertrag über die Verwaltung einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft haben, nicht vom Anwendungsbereich des Übereinkommens und der Verordnung ausgenommen sind.
2. Art. 5 Abs. 4 Buchst. b des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht und Art. 6 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 593/2008 sind dahin auszulegen, dass ein Treuhandvertrag, aufgrund dessen die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen in dem Staat, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vom Gebiet eines anderen Staates aus, d. h. aus der Ferne, zu erbringen sind, nicht unter den in diesen Bestimmungen vorgesehenen Ausschluss fällt.
3. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass eine in einem zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossenen Treuhandvertrag über die Verwaltung einer Kommanditbeteiligung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, enthaltene Klausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und nach der das Recht des Sitzmitgliedstaats der Kommanditgesellschaft anwendbar ist, missbräuchlich im Sinne der genannten Bestimmung ist, wenn sie den Verbraucher in die Irre führt, indem sie ihm den Eindruck vermittelt, auf den Vertrag sei nur das Recht dieses Mitgliedstaats anzuwenden, ohne ihn darüber zu unterrichten, dass er nach Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht und Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 593/2008 auch den Schutz der zwingenden Bestimmungen des nationalen Rechts genießt, das ohne diese Klausel anzuwenden wäre.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 20. April 2018, in dem Verfahren
Verein für Konsumenteninformation
gegen
TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co KG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin C. Toader sowie der Richter A. Rosas, L. Bay Larsen und M. Safjan (Berichterstatter),
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Vereins für Konsumenteninformation, vertreten durch Rechtsanwalt S. Schumacher,
- der TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co KG, vertreten durch die Rechtsanwälte C. Kux, G. Eckert und I. Haiderer,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin, M. Wasmeier und C. Valero als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. September 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. e und Art. 5 Abs. 4 Buchst. b des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. 1980, L 266, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Rom), von Art. 1 Abs. 2 Buchst. f und Art. 6 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. 2008, L 177, S. 6, im Folgenden: Rom-I-Verordnung) sowie von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Verein für Konsumenteninformation (Österreich, im Folgenden: VKI) und der TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co KG (im Folgenden: TVP), einer Gesellschaft deutschen Re...