Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersuchen um Vorabentscheidung: Handelsgericht Wien – Österreich. Artikel 30 und 36 EG-Vertrag – Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. 1 Freier Warenverkehr – Mengenmässige Beschränkungen – Maßnahmen gleicher Wirkung – Nationale Maßnahmen zum Schutz von aufgrund der Verordnung Nr. 2081/92 eingetragenen Ursprungsbezeichnungen – Rechtfertigung (EG-Vertrag, Artikel 30 und 36; Verordnung Nr. 2081/92 des Rates). 2 Landwirtschaft – Einheitliche Rechtsvorschriften – Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel – Verordnung Nr. 2081/92 – Schutz der eingetragenen Bezeichnungen – Anspielung auf eine eingetragene Bezeichnung – Begriff – Anspielung auf die geschützte Ursprungsbezeichnung „Gorgonzola” durch die Bezeichnung „Cambozola” (Verordnung Nr. 2081/92 des Rates, Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b). 3 Landwirtschaft – Einheitliche Rechtsvorschriften – Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel – Verordnung Nr. 2081/92 – Vor der Eintragung einer Ursprungsbezeichnung eingetragene Marke – Weitere Verwendung der Marke durch ihren Inhaber – Voraussetzungen – Marke „Cambozola” vor der Ursprungsbezeichnung „Gorgonzola” eingetragen – Beurteilung durch das vorlegende Gericht – Kriterien (EG-Vertrag, Artikel 30 und 36; Verordnung Nr. 2081/92 des Rates, Artikel 14 Absatz 2; Richtlinie 89/104 des Rates)

 

Leitsatz (amtlich)

1 Der Grundsatz des freien Warenverkehrs verwehrt es beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts einem Mitgliedstaat nicht, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um den Schutz der aufgrund der Verordnung Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel eingetragenen Ursprungsbezeichnungen sicherzustellen.

Wenn die Artikel 30 und 36 des Vertrages nämlich – wie der Gerichtshof bereits entschieden hat – der Anwendung eines zweiseitigen Abkommens zwischen Mitgliedstaaten über den Schutz von Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen nicht entgegenstehen, soweit die geschützten Bezeichnungen im Ursprungsland nicht zu Gattungsbezeichnungen geworden sind, so können sie es den Mitgliedstaaten erst recht nicht verwehren, die erforderlichen Maßnahmen aufgrund der Verordnung Nr. 2081/92 zu treffen.

2 Nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel sind eingetragene Bezeichnungen gegen jede Anspielung geschützt, selbst wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist.

In diesem Zusammenhang erfasst der Begriff der Anspielung eine Fallgestaltung, in der der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendete Ausdruck einen Teil einer geschützten Bezeichnung in der Weise einschließt, daß der Verbraucher durch den Namen des Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die die Bezeichnung trägt. Eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung kann auch dann vorliegen, wenn keinerlei Gefahr der Verwechslung zwischen den betroffenen Erzeugnissen besteht und wenn für die Bestandteile der Referenzbezeichnung, die in dem verwendeten Ausdruck übernommen werden, kein gemeinschaftsrechtlicher Schutz gelten würde.

Bei einem Blauschimmelweichkäse, dessen Aussehen demjenigen des „Gorgonzola”-Käses nicht unähnlich ist, ist die Annahme legitim, daß eine Anspielung auf eine geschützte Bezeichnung vorliegt, wenn der zu seiner Benennung verwendete Ausdruck auf die beiden gleichen Silben endet wie diese Bezeichnung und die gleiche Silbenzahl wie diese umfasst, woraus sich eine offensichtliche phonetische und optische Ähnlichkeit zwischen den beiden Ausdrücken ergibt. Die Verwendung einer Bezeichnung wie „Cambozola” kann daher im Sinne der genannten Vorschrift als Anspielung auf die geschützte Ursprungsbezeichnung „Gorgonzola” qualifiziert werden; die Angabe des wahren Ursprungs des Erzeugnisses auf der Verpackung vermag daran nichts zu ändern.

3 Voraussetzung für die Zulässigkeit der Weiterverwendung einer Marke, die vor der Eintragung einer Ursprungsbezeichnung gemäß der Verordnung Nr. 2081/92 eingetragen worden ist und eine Anspielung auf diese Bezeichnung enthält, ist nach Artikel 14 Absatz 2 dieser Verordnung, daß die Marke in gutem Glauben eingetragen worden ist und nicht nach den einschlägigen Vorschriften der Ersten Richtlinie 89/104 über die Marken verfallen oder ungültig ist.

Bei der vor der Eintragung der geschützten Ursprungsbezeichnung „Gorgonzola” eingetragenen Marke „Cambozola” ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die genannten Voraussetzungen erfüllt sind; dabei hat es sich für die Beurteilung der Frage, ob die Eintragung der Marke in gutem Glauben erfolgen konnte, wobei dieser Begriff unter Berücksichtigung aller Vorschriften des nationalen und des Völkerrecht...

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