Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Arbeitszeitgestaltung. Anwendungsbereich. Sicherheit und Gesundheitsschutz von Nachtarbeitern bei der Arbeit. Schutz für Nacharbeiter in einem Maß, das der Art ihrer Arbeit Rechnung trägt. Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor und Arbeitnehmer im privaten Sektor. Gleichbehandlung
Normenkette
Richtlinie 2003/88/EG Art. 1 Abs. 3, Art. 8, 12; Richtlinie 89/391/EWG Art. 2; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 20
Beteiligte
Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“ (Travail de nuit) |
Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“ kam Ministerstvo na vatreshnite raboti |
Tenor
1.Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit
ist dahin auszulegen, dass
die Richtlinie 2003/88 auf die Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor wie Feuerwehrleute, die als Nachtarbeiter angesehen werden, anwendbar ist, sofern diese Arbeitnehmer ihre Tätigkeiten unter gewöhnlichen Umständen ausüben.
2.Art. 12 der Richtlinie 2003/88, gelesen im Licht von Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
ist dahin auszulegen, dass
er nicht dem entgegensteht, dass die im nationalen Recht für die Arbeitnehmer im privaten Sektor auf sieben Stunden festgelegte normale Dauer der Nachtarbeit nicht für die Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor wie Feuerwehrleute gilt, wenn diese Ungleichbehandlung, sofern sich die betroffenen Kategorien von Arbeitnehmern in einer vergleichbaren Situation befinden, auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, sie also im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit diesen Rechtsvorschriften verfolgt wird, und in angemessenem Verhältnis zu diesem Ziel steht.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen C-529/21 bis C-536/21 und C-732/21 bis C-738/21
betreffend 15 Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Rayonen sad – Kula (Rayongericht Kula, Bulgarien) mit Entscheidungen vom 10. August 2021 bzw. 18. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 25. August 2021 bzw. 30. November 2021, in den Verfahren
OP(C-529/21),
MN(C-530/21),
KL(C-531/21),
IJ(C-532/21),
GH(C-533/21),
EF(C-534/21),
CD(C-535/21),
AB(C-536/21),
AB(C-732/21),
BC(C-733/21),
CD(C-734/21),
DE(C-735/21),
EF(C-736/21),
FG(C-737/21),
GH(C-738/21)
gegen
Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“ kam Ministerstvo na vatreshnite raboti
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. G. Xuereb, des Richters T. von Danwitz und der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Drambozova, D. Recchia und C. Valero als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 und Art. 12 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9) sowie von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. 1989, L 183, S. 1).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen von 15 Rechtsstreitigkeiten zwischen, auf der einen Seite, Beamten eines Rayonamts der Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“ kam Ministerstvo na vatreshnite raboti (Generaldirektion „Brandsicherheit und Bevölkerungsschutz“ des Ministeriums für Innere Angelegenheiten, Bulgarien) und, auf der anderen Seite, dieser Generaldirektion über die Anrechnung und Vergütung der von diesen Beamten geleisteten Nachtarbeitsstunden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2003/88
Rz. 3
Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2003/88 bestimmt:
„(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.
(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind
a) die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie
b) bestimmte Aspekte der Nacht- und der Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus.
(3) Diese Richtlinie gilt unbeschadet ihrer Artikel 14, 17, 18 und 19 für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie [89/391].
…“
Rz. 4
Art. 2 („Begrif...