Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Im Fernabsatz geschlossener Darlehensvertrag. Widerrufsrecht. Folgen. Rückgewähr der empfangenen Leistungen. Zahlung von Nutzungsersatz. Pflicht des Anbieters. Ausschluss
Normenkette
Richtlinie 2002/65/EG Art. 7 Abs. 4
Beteiligte
DSL-Bank – eine Niederlassung der DB Privat- und Firmenkundenbank AG |
Tenor
Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG ist dahin auszulegen, dass ein Verbraucher, der sein Widerrufsrecht in Bezug auf einen im Fernabsatz mit einem Anbieter geschlossenen Darlehensvertrag ausübt, von dem Anbieter vorbehaltlich der Beträge, die er selbst unter den in Art. 7 Abs. 1 und 3 dieser Richtlinie genannten Bedingungen an ihn zahlen muss, die Erstattung der zur Erfüllung des Vertrags gezahlten Tilgungs- und Zinsbeträge verlangen kann, nicht aber Nutzungsersatz auf diese Beträge.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Bonn (Deutschland) mit Entscheidung vom 17. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Mai 2018, in dem Verfahren
Thomas Leonhard
gegen
DSL-Bank – eine Niederlassung der DB Privat- und Firmenkundenbank AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter L. Bay Larsen und N. Jääskinen,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Leonhard, vertreten durch Rechtsanwältin C. Köhler,
- der DSL-Bank – eine Niederlassung der DB Privat- und Firmenkundenbank AG, vertreten durch Rechtsanwalt A. Menkel,
- der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze, M. Hellmann und E. Lankenau, dann durch die beiden Letztgenannten sowie durch J. Möller als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Erlbacher und C. Valero als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. 2002, L 271, S. 16).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Thomas Leonhard und der DSL-Bank – eine Niederlassung der DB Privat- und Firmenkundenbank AG (im Folgenden: DSL-Bank) über das von Herrn Leonhard ausgeübte Widerrufsrecht in Bezug auf einen zwischen diesen Parteien geschlossenen Darlehensvertrag.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 1, 3, 13 und 14 der Richtlinie 2002/65 heißt es:
„(1) Im Rahmen der Verwirklichung der Ziele des Binnenmarkts sind Maßnahmen zu dessen schrittweiser Festigung zu ergreifen; diese Maßnahmen müssen gemäß den Artikeln 95 und 153 [EG] zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus beitragen.
…
(3) … Um den Verbrauchern die Freiheit der Wahl zu gewährleisten, die für sie ein wesentliches Recht darstellt, ist ein hohes Verbraucherschutzniveau erforderlich, damit das Vertrauen des Verbrauchers in den Fernabsatz wächst.
…
(13) Mit der vorliegenden Richtlinie soll ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden, um den freien Verkehr von Finanzdienstleistungen sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten sollten in den durch diese Richtlinie harmonisierten Bereichen keine anderen als die darin festgelegten Bestimmungen vorsehen dürfen, es sei denn, die Richtlinie sieht dies ausdrücklich vor.
(14) Diese Richtlinie erfasst Finanzdienstleistungen jeder Art, die im Fernabsatz erbracht werden können. Für bestimmte Finanzdienstleistungen gelten jedoch besondere gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, die auch weiterhin auf diese Finanzdienstleistungen anwendbar sind. Dennoch sollten Grundsätze für den Fernabsatz solcher Dienstleistungen festgelegt werden.”
Rz. 4
Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich”) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Gegenstand dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher.”
Rz. 5
Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) der Richtlinie sieht vor:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
- ‚Fernabsatzvertrag’ jeden zwischen einem Anbieter und einem Verbraucher geschlossenen, Finanzdienstleistungen betreffenden Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Anbieters geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu und einschließlich dessen Abschlu...