Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verkehr. Begriff ‚ausführendes Luftfahrtunternehmen’. Vertrag über die Vermietung eines Flugzeugs mit Besatzung (‚wet lease’)
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 2 Buchst. b
Beteiligte
Tenor
Der Begriff „ausführendes Luftfahrtunternehmen” im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 und insbesondere ihres Art. 2 Buchst. b ist dahin auszulegen, dass er das Luftfahrtunternehmen, das – wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende – einem anderen Luftfahrtunternehmen im Rahmen eines Vertrags über die Vermietung eines Flugzeugs mit Besatzung („wet lease”) das Flugzeug samt Besatzung vermietet, für die Flüge aber nicht die operationelle Verantwortung trägt, nicht erfasst, auch wenn es in der den Fluggästen ausgestellten Buchungsbestätigung über einen Platz auf einem Flug heißt, dass dieser Flug von dem erstgenannten Unternehmen ausgeführt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 29. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 11. September 2017, in dem Verfahren
Wolfgang Wirth,
Theodor Mülder,
Ruth Mülder,
Gisela Wirth
gegen
Thomson Airways Ltd
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan, D. Šváby und M. Vilaras,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn und Frau Mülder sowie Herrn und Frau Wirth, vertreten durch Rechtsanwalt E. Stamer,
- der Thomson Airways Ltd, vertreten durch Rechtsanwalt P. Kauffmann,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, M. Hellmann und J. Techert als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und K. Simonsson als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Wolfgang Wirth, Theodor Mülder, Ruth Mülder und Gisela Wirth auf der einen und der Thomson Airways Ltd auf der anderen Seite wegen deren Verpflichtung, diesen vier Fluggästen Schadensersatz wegen einer Flugverspätung von mehr als drei Stunden bei der Ankunft zu zahlen.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 261/2004
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1 und 7 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:
„(1) Die Maßnahmen der [Union] im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.
…
(7) Damit diese Verordnung wirksam angewandt wird, sollten die durch sie geschaffenen Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen, das einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt, und zwar unabhängig davon, ob der Flug mit einem eigenen Luftfahrzeug oder mit einem mit oder ohne Besatzung gemieteten Luftfahrzeug oder in sonstiger Form durchgeführt wird.”
Rz. 4
Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) dieser Verordnung bestimmt in Buchst. b, dass im Sinne dieser Verordnung der Ausdruck „‚ausführendes Luftfahrtunternehmen’ ein Luftfahrtunternehmen [bezeichnet], das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt”.
Rz. 5
Art. 3 („Anwendungsbereich”) Abs. 5 dieser Verordnung sieht vor:
„Diese Verordnung gilt für alle ausführenden Luftfahrtunternehmen, die Beförderungen für Fluggäste im Sinne der Absätze 1 und 2 erbringen. Erfüllt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung, so wird davon ausgegangen, dass es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht.”
Verordnung (EG) Nr. 2111/2005
Rz. 6
Die Erwägung...