Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Umstrukturierungsbeihilfe. Entscheidungsspielraum der Europäischen Kommission. Umfang der gerichtlichen Nachprüfung durch das Gericht der Europäischen Union. Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers. Erfordernis einer sektorspezifischen und geografischen Untersuchung. Ausreichend gefestigte Praxis. Langfristige wirtschaftliche Vernünftigkeit. Zahlung zusätzlicher Abfindungen
Beteiligte
SNCM / Corsica Ferries France |
Société nationale maritime Corse-Méditerranée (SNCM) SA |
Corsica Ferries France SAS |
Tenor
1. Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
2. Die Société nationale maritime Corse-Méditérrannée (SNCM) SA und die Französische Republik tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten, die der Corsica Ferries France SAS entstanden sind, zu gleichen Teilen.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 22. November 2012,
Société nationale maritime Corse-Méditerranée (SNCM) SA, Prozessbevollmächtigte: A. Winckler und F.-C. Laprévote, avocats,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Corsica Ferries France SAS mit Sitz in Bastia (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: S. Rodrigues und C. Bernard-Glanz, avocats,
Klägerin im ersten Rechtszug,
Europäische Kommission,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, N. Rouam und J. Rossi als Bevollmächtigte,
Streithelferin im ersten Rechtszug (C-533/12 P),
und
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas, N. Rouam und J. Rossi als Bevollmächtigte,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Corsica Ferries Frankreich SASmit Sitz in Bastia, Prozessbevollmächtigte: S. Rodrigues und C. Bernard-Glanz, avocats,
Klägerin im ersten Rechtszug,
Europäische Kommission,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Société nationale maritime Corse-Méditerranée (SNCM) SA, Prozessbevollmächtigte: A. Winckler und F.-C. Laprévote, avocats,
Streithelferin im ersten Rechtszug (C-536/12 P),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), A. Rosas, D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2013,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Januar 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihren jeweiligen Rechtsmitteln beantragen die Société nationale maritime Corse-Méditerranée (SNCM) SA (im Folgenden: SNCM) und die Französische Republik die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union, Corsica Ferries France/Kommission (T-565/08, EU:T:2012:415, im Folgenden: angefochtenes Urteil), soweit dieses Art. 1 Abs. 2 und 3 der Entscheidung der Kommission vom 8. Juli 2008 über die Maßnahmen C 58/02 (ex N 118/02) Frankreichs zugunsten der Société Nationale Maritime Corse-Méditerranée (SNCM) (ABl. 2009, L 225, S. 180, im Folgenden: streitige Entscheidung) für nichtig erklärt hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung
Rz. 2
Das Gericht hat folgende Feststellungen getroffen:
„Betroffene Schifffahrtsunternehmen
1 … Corsica Ferries France SAS [im Folgenden: Corsica Ferries] … ist ein Schifffahrtsunternehmen, das regelmäßige Schiffsverbindungen vom französischen Festland (Marseille, Toulon und Nizza) und von Italien nach Korsika anbietet.
2 [SNCM] ist ein Schifffahrtsunternehmen, das regelmäßige Schiffsverbindungen vom französischen Festland (Marseille, Toulon und Nizza) nach Korsika und nach Nordafrika (Tunesien und Algerien) sowie Verbindungen nach Sardinien gewährleistet. Eines der wichtigsten Tochterunternehmen von SNCM, an dem sie 100 % der Anteile hält, ist die Compagnie méridionale de navigation …
3 Im Jahr 2002 wurden die Anteile von SNCM zu 20 % von der Société nationale des chemins de fer und zu 80 % von der Compagnie générale maritime et financière (im Folgenden: CGMF) gehalten, an denen der französische Staat jeweils 100 % der Anteile hält. Bei ihrer Kapitalöffnung im Jahr 2006 brachten zwei Übernehmer, Butler Capital Partners … und Veolia Transport …, 38 % bzw. 28 % des Kapitals unter ihre Kontrolle, während die CGMF einen Anteil von 25 % behielt und 9 % des Kapitals den Arbeitnehmern vorbehalten blieben. [Butler Capital Partners] hat in der Zwischenzeit ihre Anteile an [Veolia Transport] abgetreten.
Verwaltungsverfahren
4 In ihrer Entscheidung 2002/149/EG vom 30. Oktober 2001 über die staatlichen Beihilfen Frankreichs zugunsten der [SNCM] (ABl. 2002, L 50, S. 66, …) vertrat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Ansicht, dass eine SNCM für den Zeitraum zwischen 1991 und 2001 als Ausgleichszahlung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gewährte Beihilfe in Höhe von 787 Mio. Euro nach Art. 86 Abs. 2 EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Gege...