Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Unionsbürgerschaft. Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt. Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Ausnahme. Umfang. Mitgliedstaat, in dem die Vergünstigung von Fahrpreisermäßigungen Studierenden vorbehalten ist, deren Eltern in diesem Staat Familienbeihilfen beziehen

 

Normenkette

AEUV Art. 20-21, 18; Richtlinie 2004/38/EG Art. 24

 

Beteiligte

Kommission / Österreich

Europäische Kommission

Republik Österreich

 

Tenor

1. Die Republik Österreich hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 18 AEUV in Verbindung mit Art. 20 AEUV und Art. 21 AEUV sowie Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG verstoßen, dass sie die Vergünstigung von Fahrpreisermäßigungen grundsätzlich Studierenden vorbehalten hat, deren Eltern österreichische Familienbeihilfen beziehen.

2. Die Republik Österreich trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 21. Februar 2011,

Europäische Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und D. Roussanov als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer und M. Fruhmann als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und C. G. Fernlund,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. September 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Europäische Kommission beantragt in ihrer Klageschrift, festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18 AEUV, 20 AEUV und 21 AEUV sowie aus Art. 24 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, mit Berichtigung im ABl. L 229, S. 35) verstoßen hat, dass sie die Vergünstigung von Fahrpreisermäßigungen grundsätzlich Studierenden vorbehalten hat, deren Eltern österreichische Familienbeihilfen beziehen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EWG) Nr. 1408/71

Rz. 2

Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 592/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 (ABl. L 177, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), definiert in ihrem Art. 1 Buchst. u Ziff. i Familienleistungen als „alle Sach- oder Geldleistungen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h) genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind”.

Rz. 3

Nach ihrem Art. 4 Abs. 1 Buchst. h gilt die Verordnung Nr. 1408/71 für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die Familienleistungen betreffen.

Rz. 4

Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 unterliegen vorbehaltlich ihrer Art. 14c und 14f die Personen, für die die Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats.

Richtlinie 2004/38

Rz. 5

Die Erwägungsgründe 1 und 10 der Richtlinie 2004/38 lauten:

„(1) Die Unionsbürgerschaft verleiht jedem Bürger der Union das elementare und persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im [EG-]Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

(10) Allerdings sollten Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Daher sollte das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen für eine Dauer von über drei Monaten bestimmten Bedingungen unterliegen.”

Rz. 6

Die Richtlinie 2004/38 gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitz...

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