Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen für hinterbliebene Ehegatten von Kriegsopfern. Voraussetzung des Wohnsitzes im Inland. Art. 18 Abs. 1 EG
Beteiligte
Krystyna Zablocka-Weyhermüller |
Tenor
Art. 18 Abs. 1 EG ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der dieser Staat die Zahlung bestimmter Leistungen für hinterbliebene Ehegatten von Kriegsopfern allein deshalb verweigert, weil die Betroffenen im Gebiet einiger bestimmter Mitgliedstaaten wohnen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Sozialgericht Stuttgart (Deutschland) mit Entscheidung vom 26. April 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Mai 2007, in dem Verfahren
Krystyna Zablocka-Weyhermüller
gegen
Land Baden-Württemberg,
beigeladen:
Bundesrepublik Deutschland,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters T. von Danwitz, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und J. Malenovský,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Landes Baden-Württemberg, vertreten durch H. Sprau als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und M. Lumma als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch T. Nowakowski als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz als Bevollmächtigten,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 EG.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Zablocka-Weyhermüller und dem Land Baden-Württemberg wegen dessen Weigerung, Frau Zablocka-Weyhermüller bestimmte Leistungen zu zahlen, auf die sie als Witwe eines Kriegsopfers Anspruch zu haben meint.
Nationales Recht
Rz. 3
Die einschlägige nationale Regelung findet sich im Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG) vom 20. Dezember 1950 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. 1982 I S. 21), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2006 (BGBl. 2006 I S. 1305), und in der Auslandsversorgungsverordnung vom 30. Juni 1990 (im Folgenden: AuslVersV), mit der das BVG durchgeführt wird.
Rz. 4
Nach § 9 Nr. 5 BVG haben die Hinterbliebenen von Kriegsopfern im Wesentlichen die in den §§ 38 bis 52 dieses Gesetzes vorgesehen Ansprüche auf Hinterbliebenenrente. Neben der – im Übrigen nicht dynamisierten – Grundrente besteht bei Erfüllung bestimmter weiterer Voraussetzungen ein Anspruch auf Schadensausgleich im Fall von schädigungsbedingten Einkommenseinbußen des Kriegsopfers, die anhand des fiktiven Einkommens berechnet werden, das ohne die Schädigung bezogen worden wäre (§ 40a BVG), sowie gegebenenfalls auf Pflegeausgleich (§ 40b BVG) und/oder auf Ausgleichsrente (§ 41 BVG). Hat der hinterbliebene Ehegatte das 45. Lebensjahr vollendet, kann er überdies nach § 41 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 BVG eine volle Ausgleichsrente beanspruchen, soweit nicht gegebenenfalls eigene Einkünfte anzurechnen sind.
Rz. 5
Zu diesen Leistungen treten grundsätzlich nach § 9 Nr. 1 und § 10 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c BVG ein Anspruch auf Krankenbehandlung und Ansprüche im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach § 9 Nr. 2 sowie den §§ 25 bis 27j BVG hinzu. Diese sind indessen mehr bedarfsorientiert strukturiert.
Rz. 6
Antragsteller, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Deutschlands haben, unterliegen den abweichenden Bestimmungen nach den §§ 64a bis 64f BVG.
Rz. 7
§ 64e BVG sieht vor:
„(1) Kriegsopfer, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem durch Rechtsverordnung nach Absatz 5 bestimmten Staat haben, erhalten eine Teilversorgung nach den Absätzen 2 bis 4. Im Übrigen ruht der Anspruch auf Versorgung.
(2) Die Teilversorgung umfasst Grundrente einschließlich der Abfindung nach § 44 Abs. 1, Schwerstbeschädigtenzulage, Pflegezulage, Elternrente und Bestattungsgeld in Höhe eines Drittels der sich aus den §§ 31, 35, 36, 40, 46, 51 und 53 ergebenden Beträge sowie Sterbegeld nach § 37. Die Grundrente erhöht sich für Beschädigte um ein Drittel des Betrages, der in § 31 Abs. 1 Satz 1 als Grundrente für einen Beschädigten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 vom Hundert festgelegt ist. Bei Rentenleistungen werden ausländische Einkünfte nur in den Fällen des § 48 berücksichtigt. Bei der Witwen- und Waisenbeihilfe ist in allen Fällen von der vollen Höhe der entsprechenden Witwen- und Waisenrente auszugehen sowie ein Drittel des in § 33 Abs. 1 Buchstabe a genannten Bemessungsbetrags zugrunde zu legen. Bei der Bemessung des Bestattungsgeldes ist in allen Fällen der in § 36 Abs. 1 Satz 2 und § 53 Satz 2 genannte höhere Betrag zugrunde zu legen.
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