Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeitsklage. Staatliche Beihilfen. Durch die Republik Polen gewährte Beihilfe für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen. Befugnisse des Rates der Europäischen Union. Bestehende Beihilferegelungen. Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union. Vor dem Beitritt gewährte Beihilfe. Zweckdienliche Maßnahmen. Untrennbarkeit zweier Beihilferegelungen. Veränderte Umstände. Außergewöhnliche Umstände. Wirtschaftskrise. Offensichtlicher Beurteilungsfehler. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Normenkette
EG Art. 88 Abs. 1-2
Beteiligte
Rat der Europäischen Union |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
3. Die Republik Litauen, Ungarn und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 1. März 2010,
Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, L. Flynn, K. Walkerová und B. Stromsky als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch É. Sitbon und F. Florindo Gijón als Bevollmächtigte,
Beklagter,
unterstützt durch
Republik Litauen, vertreten durch D. Kriaučiūnas und L. Liubertaitė als Bevollmächtigte,
Ungarn, vertreten durch G. Koós, M. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
Republik Polen, vertreten durch M. Szpunar und B. Majczyna als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), E. Juhász, A. Borg Barthet, C. G. Fernlund und J. L. da Cruz Vilaça, der Richter A. Rosas, G. Arestis und J. Malenovský, der Richterin A. Prechal sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. Vajda,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Januar 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Nichtigerklärung der Entscheidung 2010/10/EG des Rates vom 20. November 2009 über die Gewährung einer staatlichen Beihilfe durch die Behörden der Republik Polen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2013 (ABl. 2010, L 4, S. 89, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
Rechtlicher Rahmen
Beitrittsakte
Rz. 2
In Anhang IV Kapitel 4 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte) heißt es:
„…
Unbeschadet der Verfahren für bestehende Beihilfen nach Artikel 88 [EG] werden die in einem neuen Mitgliedstaat vor dem Beitritt in Kraft gesetzten und nach dem Beitritt weiterhin anwendbaren Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen zugunsten von Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Herstellung … von Erzeugnissen nach Anhang I des EG-Vertrags … unter nachstehenden Bedingungen als bestehende Beihilfen im Sinne des Artikels 88 Absatz 1 [EG] betrachtet:
– Die Beihilfemaßnahmen werden der Kommission innerhalb von vier Monaten nach dem Tag des Beitritts mitgeteilt. … Die Kommission veröffentlicht eine Liste derartiger Beihilfen.
Diese Beihilfemaßnahmen werden bis zum Ende des dritten Jahres nach dem Tag des Beitritts als ‚bestehende’ Beihilfen im Sinne des Artikels 88 Absatz 1 [EG] betrachtet.
Die neuen Mitgliedstaaten ändern diese Beihilfemaßnahmen erforderlichenfalls, damit sie spätestens am Ende des dritten Jahres nach dem Tag des Beitritts den Leitlinien der Kommission entsprechen. Danach wird jede Beihilfe, die als nicht mit diesen Leitlinien vereinbar angesehen wird, als neue Beihilfe betrachtet.”
Verordnung (EG) Nr. 659/1999
Rz. 3
Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) sieht vor:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
c) ‚neue Beihilfen’ alle Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen;
…”
Rz. 4
Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 bestimmt:
„Gelangt die Kommission zur vorläufigen Auffassung, dass eine bestehende Beihilferegelung nicht oder nicht mehr mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, so setzt sie den betreffenden Mitgliedstaat hiervon in Kenntnis und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von einem Monat. …”
Rz. 5
Art. 18 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor:
„Gelangt die Kommission aufgrund der von dem betreffenden Mitgliedstaat nach Artikel 17 übermittelten Aus...