Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wettbewerb. Kartelle. Markt für Chloropren-Kautschuk. Aufeinanderfolge von Produktionseinheiten. Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung. Geldbußen. Wiederholungsfall. Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung
Beteiligte
Kommission / Versalis und Eni |
Tenor
1. Die Rechtsmittel in den Rechtssachen C-93/13 P und C-123/13 P werden zurückgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel in der Rechtssache C-93/13 P.
3. Die Versalis SpA und die Eni SpA tragen die Kosten im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel in der Rechtssache C-123/13 P.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. Februar 2013 und 12. März 2013,
Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, G. Conte und R. Striani als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Versalis SpA, vormals Polimeri Europa SpA, mit Sitz in Brindisi (Italien),
Eni SpA mit Sitz in Rom (Italien),
Prozessbevollmächtigte: M. Siragusa, G. M. Roberti, F. Moretti, I. Perego, F. Cannizzaro, A. Bardanzellu, D. Durante und V. Laroccia, avvocati,
Klägerinnen im ersten Rechtszug,
und
Versalis SpA, vormals Polimeri Europa SpA,
Eni SpA,
Prozessbevollmächtigte: M. Siragusa, G. M. Roberti, F. Moretti, I. Perego, F. Cannizzaro, A. Bardanzellu, D. Durante und V. Laroccia, avvocati,
Rechtsmittelführerinnen,
andere Partei des Verfahrens:
Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, G. Conte und R. Striani als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász und D. Šváby,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2014,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Juli 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihren Rechtsmitteln begehren die Europäische Kommission in der Rechtssache C-93/13 P sowie die Versalis SpA (im Folgenden: Versalis) und die Eni SpA (im Folgenden: Eni) in der Rechtssache C-123/13 P die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 13. Dezember 2012 (Versalis und Eni/Kommission, T-103/08, EU:T:2012:686, im Folgenden: angefochtenes Urteil). Gegenstand des angefochtenen Urteils ist eine gemeinsame Klage von Versalis und Eni auf Nichtigerklärung der Entscheidung K (2007) 5910 final der Kommission vom 5. Dezember 2007 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38629 – Chloropren-Kautschuk) (im Folgenden: streitige Entscheidung) oder, hilfsweise, auf Aufhebung oder Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen Versalis und Eni gesamtschuldnerisch verhängten Geldbuße.
Rz. 2
Die Kommission beantragt mit ihrem Rechtsmittel, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht die mit der streitigen Entscheidung gegen Versalis und Eni verhängte Geldbuße auf 106 200 000 Euro herabgesetzt hat. Das Rechtsmittel von Versalis und Eni ist auf die Aufhebung des angefochtenen Urteils gerichtet, soweit das Gericht ihre Klage abgewiesen hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung
Betroffene Unternehmen
Rz. 3
Eni ist die Dachgesellschaft des gleichnamigen Konzerns. Dieser trat Ende 1992 durch Erwerb des Geschäftszweigs für Chloropren-Kautschuk (chloroprene rubber, im Folgenden: CR) der Unternehmensgruppe Rhône-Poulenc, deren auf CR spezialisierte Gesellschaft „Distugil” hieß, in den Markt für CR ein. Innerhalb des Eni-Konzerns war vom 13. Mai 1993 bis 31. Oktober 1997 die EniChem Elastomeri Srl (im Folgenden: EniChem Elastomeri) für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit CR (im Folgenden: CR-Geschäftsbereich) zuständig. EniChem Elastomeri wird zu 100 % von der EniChem SpA (im Folgenden: EniChem) kontrolliert, die ihrerseits teilweise unmittelbar und teilweise mittelbar zu 99,93 % bis 99,97 % ihres Grundkapitals durch Eni kontrolliert wird. Am 1. November 1997 fusionierte EniChem Elastomeri mit EniChem. Diese übernahm die Zuständigkeit für die früheren Tätigkeiten von EniChem Elastomeri, die aufhörte, als eigenständige juristische Person zu existieren. Am 1. Januar 2002 übertrug EniChem ihren CR-Geschäftsbereich auf ihre 100%ige Tochter Polimeri Europa SpA (im Folgenden: Polimeri Europa). Am 21. Oktober 2002 übernahm Eni die vollständige unmittelbare Kontrolle über Polimeri Europa. Am 30. April 2003 firmierte EniChem in „[vertraulich]” um. Polimeri Europa firmierte im April 2012 in „Versalis” um.
Verfahren vor der Kommission
Rz. 4
Am 18. Dezember 2002 informierte die Bayer AG (im Folgenden: Bayer) die Kommission der Europäischen Gemeinschaften über das Bes...