Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Verbraucherkreditverträge. Verpflichtung zur Überprüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers durch den Kreditgeber. Nationale Regelung. Möglichkeit zur Geltendmachung der Verjährung bei Einwendung der Nichtigkeit des Vertrags durch den Verbraucher. Sanktionen. Wirksamkeit, Verhältnismäßigkeit und Abschreckung. Nationales Gericht. Prüfung der Einhaltung dieser Verpflichtung von Amts wegen
Normenkette
Richtlinie 2008/48/EG Art. 8, 23
Beteiligte
Tenor
Die Art. 8 und 23 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates sind dahin auszulegen, dass sie einem innerstaatlichen Gericht vorschreiben, das Vorliegen eines Verstoßes gegen die in Art. 8 der Richtlinie vorgesehene vorvertragliche Verpflichtung des Kreditgebers zur Bewertung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers von Amts wegen zu prüfen und die im nationalen Recht festgelegten Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung anzuordnen, sofern die Sanktionen den Anforderungen von Art. 23 genügen. Ferner sind die Art. 8 und 23 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass sie einer innerstaatlichen Regelung entgegenstehen, wonach ein Verstoß des Kreditgebers gegen seine vorvertragliche Verpflichtung zur Bewertung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers nur dann zur Nichtigkeit des Kreditvertrags, verbunden mit der Verpflichtung des Verbrauchers, in einem ihm zumutbaren Zeitraum dem Kreditgeber den Kapitalbetrag zurückzuzahlen, führt, wenn dieser Verbraucher die Nichtigkeit geltend macht, was innerhalb einer dreijährigen Verjährungsfrist zu erfolgen hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Okresní soud v Ostravě (Bezirksgericht Ostrau, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 25. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2018, in dem Verfahren
OPR-Finance s. r. o.
gegen
GK
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter T. von Danwitz und A. Kumin (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und S. Šindelková als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, P. Barros da Costa, M. J. Marques und C. Farto als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Goddin und P. Němečková als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. November 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 8 und 23 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt im ABl. 2009, L 207, S. 14, im ABl. 2010, L 199, S. 40, und im ABl. 2011, L 234, S. 46).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der OPR-Finance s. r. o. und GK über eine Forderung wegen Beträgen, die nach einem zwischen ihnen abgeschlossenen Kreditvertrag noch geschuldet werden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 7, 9, 26, 28 und 47 der Richtlinie 2008/48 heißt es:
„(7) Um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern, muss in einigen Schlüsselbereichen ein harmonisierter gemeinschaftsrechtlicher Rahmen geschaffen werden. …
…
(9) Eine vollständige Harmonisierung ist notwendig, um allen Verbrauchern in der Gemeinschaft ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um einen echten Binnenmarkt zu schaffen. Den Mitgliedstaaten sollte es deshalb nicht erlaubt sein, von dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen. Diese Einschränkung sollte jedoch nur in den Fällen gelten, in denen Vorschriften durch diese Richtlinie harmonisiert werden. Soweit es keine solchen harmonisierten Vorschriften gibt, sollte es den Mitgliedstaaten freigestellt bleiben, innerstaatliche Rechtsvorschriften beizubehalten oder einzuführen. … Ein weiteres Beispiel für diese Möglichkeit könnte sein, dass die Mitgliedstaaten innerstaatliche Rechtsvorschriften über die Aufhebung eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrags für den Fall beibehalten oder einführen, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht von dem Kreditvertrag ausübt. …
…
(26) … Insbesondere auf dem expandierenden Kreditmarkt ist es wichtig, dass Kreditgeber nicht verantwortungslos in der Kreditvergabe tätig werden oder Kredite ohne vorherige Beurteilung der Kreditwürdigkeit vergeben, und die Mi...