Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Öffentliche Aufträge. Nachprüfungsverfahren. Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, mit der ein Wirtschaftsteilnehmer zur Abgabe eines Angebots zugelassen wird. Nach anwendbarem nationalem Recht nicht überprüfbare Entscheidung
Normenkette
Richtlinie 89/665/EWG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Beteiligte
Marina del Mediterráneo u.a |
Marina del Mediterráneo SL u. a |
Agencia Pública de Puertos de Andalucía |
Tenor
1. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen die Entscheidung, einen Bieter zum Vergabeverfahren zuzulassen, von der behauptet wird, sie verstoße gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen das nationale Recht, mit dem diese Vorschriften umgesetzt werden, nicht zu den vorbereitenden Handlungen eines öffentlichen Auftraggebers gehört, die mit einem selbständigen Rechtsbehelf bei einem Gericht angefochten werden können.
2. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 2007/66 geänderten Fassung entfalten unmittelbare Wirkung.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Andalucía (Oberstes Gericht von Andalusien, Spanien) mit Entscheidung vom 9. Juli 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2015, in dem Verfahren
Marina del Mediterráneo SL u. a.
gegen
Agencia Pública de Puertos de Andalucía,
Beteiligte:
Consejería de Obras Públicas y Vivienda de la Junta de Andalucía,
Nassir Bin Abdullah and Sons SL,
Puerto Deportivo de Marbella SA,
Ayuntamiento de Marbella,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Marina del Mediterráneo SL u. a., vertreten durch J. L. Torres Beltrán, Procurador, und A. Jiménez-Blanco, abogado,
- der Agencia Pública de Puertos de Andalucía, vertreten durch J. M. Rodríguez Gutiérrez, abogado,
- der Consejería de Obras Públicas y Vivienda de la Junta de Andalucía, vertreten durch I. Nieto Salas, abogada,
- der spanischen Regierung, vertreten durch M. A. Sampol Pucurull und M. J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Pucciariello und F. Di Matteo, Avvocati dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Sanfrutos Cano und A. Tokár als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. September 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. 2007, L 335, S. 31) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Arbeitsgemeinschaft „Marina Internacional de Marbella” und der Agencia Pública de Puertos de Andalucía (andalusische Hafenbehörde, Spanien, im Folgenden: Hafenbehörde). Gegenstand des Rechtsstreits ist die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Hafenbehörde, im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe einer öffentlichen Baukonzession eine andere Arbeitsgemeinschaft zur Abgabe eines Angebots zuzulassen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der zweite Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665 lautet:
„Die auf einzelstaatlicher Ebene und auf Gemeinschaftsebene derzeit vorhandenen Mechanismen zur [wirksamen] Durchsetzung [der Richtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens] sind nicht immer ausreichend, um die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können.”
Rz. 4
Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren”) Abs. 1 und 3 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sin...