Entscheidungsstichwort (Thema)
Humanarzneimittel. Richtlinie 2001/83/EG. Verbot der Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Begriff ‚Werbung’. Gegenüber der zuständigen Behörde gemachte Angaben – Im Internet zugängliche Angaben
Beteiligte
Tenor
Art. 88 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er die Verbreitung von Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel auf einer Internet-Website durch Arzneimittelunternehmen nicht verbietet, wenn diese Informationen auf dieser Website nur demjenigen zugänglich sind, der sich selbst um sie bemüht, und diese Verbreitung ausschließlich in der getreuen Wiedergabe der Umhüllung des Arzneimittels nach Art. 62 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung sowie in der wörtlichen und vollständigen Wiedergabe der Packungsbeilage oder der von der zuständigen Arzneimittelbehörde genehmigten Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels besteht. Verboten ist hingegen die über eine solche Website erfolgende Verbreitung von Informationen über ein Arzneimittel, die Gegenstand einer vom Hersteller vorgenommenen Auswahl oder Umgestaltung waren, die nur durch ein Werbeziel erklärbar ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu bestimmen, ob und in welchem Umfang die im Ausgangsverfahren fraglichen Tätigkeiten Werbung im Sinne der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung darstellen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. Juli 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 10. August 2009, in dem Verfahren
MSD Sharp & Dohme GmbH
gegen
Merckle GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters D. Šváby (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und J. Malenovský,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der MSD Sharp & Dohme GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte U. Karpenstein und F. Fellenberg,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh und C. Vang als Bevollmächtigte,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und A. P. Antunes als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Hathaway als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Šimerdová und G. Wilms als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 24. November 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 88 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. L 136, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der MSD Sharp & Dohme GmbH (im Folgenden: MSD) und der Merckle GmbH über eine Klage, mit der Letztere MSD gerichtlich untersagen lassen möchte, auf ihrer Website Informationen über von ihr hergestellte verschreibungspflichtige Arzneimittel, nämlich Vioxx, Fosamax und Singulair, zu verbreiten, was nach Ansicht von Merckle eine von der Richtlinie 2001/83 verbotene Öffentlichkeitswerbung darstellt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 2, 40, 44 und 45 der Richtlinie 2001/83 lauten:
„(2) Alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln müssen in erster Linie einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten.
…
(40) Die Bestimmungen über die Unterrichtung der Patienten müssen ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten, so dass die Arzneimittel auf der Grundlage vollständiger und verständlicher Informationen ordnungsgemäß angewandt werden können.
…
(44) Die Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Ferns...